Manchmal ist es nur ein einziges Bild, das einem diese Idee in den Kopf setzt. Man wird sie nicht mehr los, fragt sich immer wieder, ob man das selbst schaffen könnte. Wie es wohl sein würde. Und während man noch darüber nachdenkt, ist eines schon klar: Man muss selbst hin, um es herauszufinden.
Als ich das Bild eines Freundes bei Facebook sah, war es mir in diesem Moment bereits um mich geschehen: Ein schmaler Grat. Ein Mann in voller Klettermontur. Steigeisen an den Füßen. Ein breites Grinsen im Gesicht. Die Bildunterschrift: „Hindelanger Klettersteig im Winter“. Da muss ich hin.
„Lust auf ein Abenteuer?“
Da wegen des schneearmen Winters momentan die Bedingungen für solche Aktionen ohnehin gut sind, wurde nicht lange gewartet. Ein kurzer Mailaustausch mit einem Arbeitskollegen besiegelte das Vorhaben: „Lust auf ein spontanes Abenteuer? Übermorgen!“. Seine Antwort nur: „Ich bin dabei!“. Solche Partner braucht man.
Frühstück erst ab acht.
Am nächsten Abend stiegen wir die tausend Höhenmeter mit Tourenski zum Edmund-Probst-Haus. Die Hüttenwirtin war etwas verwirrt, als sie von unserem Vorhaben hörte, ließ uns aber ohne weitere Kommentare ziehen. Nur das Frühstück wurde uns verwehrt, das gäbe es „mitten in der Nacht!“ (sieben Uhr) nicht. Scheint nicht allzu oft vorzukommen, dass Bergsportler oben übernachten.
Auf gehts!
Pünktlich mit dem Sonnenaufgang standen wir am Grat. Der Himmel über dem Hochvogel leuchtete violett, während wir zügig den ersten Teil des Klettersteigs zurücklegten. Der Schnee war größtenteils trittfest und sogar bereits gespurt, immer wieder blinzelten Borhaken aus dem Schnee. Wir waren zuversichtlich, auf diese Weise jede brenzlige Stelle absichern zu können. Damit lagen wir falsch, wie sich später herausstellte.
Großartige Kletterei
Nach dem ersten Teil wurde das Gelände doch noch anspruchsvoller. Der Grat spitzte sich zu und gab immer wieder rauschende Tiefblicke preis – links sechshundert Meter ins Retterschwanger Tal, rechts etwas weniger ins Koblat. Es war das, was sich jeder Alpinist wünscht. Ausgesetztheit, optimale Bedingungen, gute Begleitung, passende Kondition. Alles stimmte.
Das Seil blieb im Rucksack
Die wenigen brenzligen Passagen – schmale Grate, die weder Platz für Skistöcke noch etwas zum Greifen boten oder wacklige Traversen auf abschüssigen Platten – mit Steigeisen immer eine anspruchsvolle Sache – waren dann letztendlich tatsächlich durch die Bank nicht zu sichern. Aber alles lief gut, trotz des Seils, das nur im Rucksack mitwanderte.
Jähes Ende
Am Östlichen Wengenkopf hatte der Klettersteig dann doch genug von uns. Er versperrte uns den Weiterweg mit einem steilen Schneefeld, das man kaum vernünftig absichern hätte können. Wir waren nicht hier, um etwas zu riskieren, also war die Entscheidung schnell gefällt: Rückzug. Es war bis jetzt ein phänomenaler Tag, den müssen wir nicht noch mit einem Absturz krönen.
Der Weg ist unser Ziel
Durch eine steile Scheerinne gelangten wir zügig runter ins Koblat, tauschten Steigeisen wieder gegen die Ski und machten uns auf den Rückweg ins Skigebiet. Fünf Stunden brauchten wir oben am Grat, nicht mal zwanzig Minuten für die gleiche Strecke hundert Höhenmeter unterhalb. Natürlich irgendwie absurd, aber bei solchen Aktionen geht es nicht um das Ziel, sondern ganz klar um den Weg.
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Den ganzen Artikel über die Winterbegehung des Hindelanger Klettersteigs gibt es bei der Allgäuer Bloggerin ulligunde.com.