Gesundmacher – Pfundepurzler – Glücksbringer
Schrothkur-Tagebuch von Bianca Keybach
Einmal jährlich halte ich mich mit der Schrothkur, welche nach Johann Schroth benannt ist, fit. Bei der Schrothkur handelt es sich nicht um eine Körnerkur (wie der Name vielleicht vermuten lässt), sondern um ein ganzheitliches Naturheilverfahren, bei dem der Körper gründlich entsäuert und entgiftet wird. Mit Hilfe der vier Schroth’schen Säulen (Schroth’sche Packung, Schroth’sche Kost, Schroth’sche Trinkordnung, Ruhe und Bewegung) kann sich der Körper selbst heilen und Krankheiten vorbeugen. Für viele ist die Kur in Oberstaufen wie eine Initialzündung in einen veränderten Lebensstil.
Warum habe ich mich, als gesunde junge Frau dazu entschieden zwei Wochen lang zu fasten und nach den Regeln von Johann Schroth zu leben?
Als Kurdirektor von Oberstaufen bin ich nicht nur für die Vermarktung des Naturheilverfahrens verantwortlich, sondern möchte auch wieder lernen, bewusst zu genießen und die Maßlosigkeit des Alltags, abzulegen. Die paar Kilo Gewichtsverlust, die man bei der Schrothkur automatisch verliert, ist natürlich ein schöner Nebeneffekt. Die Entbehrung für zwei Wochen ist für mich vor allem eine Vorsorgemaßnahme, damit ich mich noch lange gesund und fit fühle.
Über die Erlebnisse meiner letzten Kur im „Bergkristall – Natur & Spa“ in Oberstaufen möchte ich heute berichten.
Der Kurstart
Jede Schrothkur startet mit der ärztlichen Untersuchung. Frau Dr. med. Vera Brosig erklärt mich für „schrothtauglich“ und so kann ich in meinen ersten Schrothtag starten, der mit der berühmten Pflaumensuppe beginnt, die die Verdauung anregen soll, und definitiv Geschmackssache ist. Etwas nervös schlafe ich ein, die „Schrothpackerin“ weckt mich ja bereits um 4 Uhr in der Früh. Nach einer Tasse Kräutertee und einem Zwieback geht es los: Waltraud, meine nächtliche Verabredung für die nächsten Tage, packt mich in die nasskalten Lacken, legt Wärmflaschen dazu und packt einige Packdecken darauf. Als das Licht wieder ausgeht, schlafe ich sofort wieder ein, schwitze ziemlich viel und freue mich, dass Waltraud mich nach zwei Stunden wieder aus meinem „Kokon“ befreit. Ein unbeschreibliches Gefühl, genauso wie der anschließende Schlaf…
Die Ernährung – die „Schroth’sche Kost“
Salz-, Eiweiß- und Fettfrei ist sie, die Schrothkurkost. Zwei Wochen voller Entbehrungen, sollte man meinen – doch weit gefehlt: die Küchenteams der Oberstaufener Schrothkurhotels schaffen es, Schrothler wie Gourmetgäste zu verwöhnen.
Ein Auszug aus meinem Speiseplan: eingeweichte Pflaumen mit Grapefruit-Filets und Schroth-Semmel, gefüllte Paprika mit Currynote, mit Karottenmousse und frischer Kresse gefüllte Kartoffeln, gefüllte Paprika (mit Reis, Kräutern und Gemüse), Sauerkraut mit Ananas und Kartoffel, Mediterraner Gemüseeintopf uvm.
Der Hunger schwindet bereits nach wenigen Tagen und man gewöhnt sich schnell an die kleinen Portionen, die einen locker satt machen.
Die Kurpacker
Niemand ist so nah dran am Schrothler wie die Packerin. Deshalb gehört diese Berufsgruppe zu der wichtigsten, im Rahmen der Schrothkur. Meine Packerin Waltraud bringt mir jeden Tag, außer Sonntag, gegen 4 Uhr mein Glas Tee mit einer Scheibe Zwieback. Verlässliche 10 Minuten später kommt sie wieder, um mich zu „packen“. Während meine nächtliche Verabredung das Packbett vorbereitet, ziehe ich mich aus und wenige Sekunden später lege ich mich auf das kalte, nasse Laken. Brrrr. Schnell faltet Waltraud das Laken über mir ein und deckt mich gekonnt mit einigen Packdecken zu. In jede Packung werden Wärmflaschen und auch eine „Klingel“ gelegt, so kann ich jederzeit die Packerin rufen, wenn ich ausgepackt werden möchte.
Ein unglaublicher Beruf: Arbeitsbeginn gegen 3 Uhr nachts, 6-Tage Woche und nackte, schwitzende Fremde. Dieser Job gehört wahrlich nicht zu den beliebtesten, wenngleich er sicher in vielen Situationen spannend ist. Und jeden Tag aufs Neue tun die Damen und seltenen Herren alles, um die Packung so angenehm wie möglich zu machen, auf die Bedürfnisse jedes Gastes einzugehen und gleichzeitig die perfekte Packung zu verabreichen. Bewundernswert!
Ich kann mir schon kaum mehr vorstellen wie es ist, nach der Schrothkur, keine morgendliche Packung zu bekommen.
Trocken- und Trinktage
„Ohne Kampf kein Sieg, ohne Verzicht kein Genuss, ohne Reinigung keine Heilung“, sagte Emanuel Schroth einmal. Und Recht hatte er.
Während meiner zwei Schrothwochen wechseln sich Trocken- mit Trinktagen ab.
Der trockene, hochwertige Weißwein, der an Trinktagen (Frauen bis zu einem ¼ Liter, Männer bis zu einem ½ Liter) erlaubt ist, kann auch in Form von trockenem, hochwertigen Prosecco genossen werden kann, für den ich mich bei meiner Kur entscheide. Im Sommer schmeckt er einfach herrlich erfrischend.
Im Sommer ist der Trockentag eine noch größere Herausforderung und etwas vorsichtig zu betrachten. So trinke ich vor der Packung und nach dem Aufstehen jeweils ein Glas Tee, nachmittags ein kleines Glas Wasser und zum Abendessen frisch gepressten Orangensaft. Zusammen mit der Flüssigkeit im Essen komme ich insgesamt vielleicht auf 0,8 Liter.
Ich persönlich bin ein großer Fan des Trockentages, weil man meint zu spüren, wie sich die Zellen zusammen ziehen und ein Sog gebildet wird. Am darauf folgenden Trinktag ist das Wohlgefühl noch besser. Trotzdem belastet das wenig Trinken – gerade im Sommer.
Arbeiten während der Kur
Während der Schrothkur zu arbeiten finden manche ungünstig. Für mich ist es halbtags eine schöne Ablenkung. Außerdem hindert die Grundentspannung und die „das sehen wir ja dann“-Laune einen daran, sich stressen zu lassen. Wen ich allerdings während der Kur als ständigen Begleiter bei mir habe, ist der Notizzettel, denn das Kurzzeitgedächnis lässt schon teilweise zu wünschen übrig. „Was wollte ich gerade tun? Wen wollte ich anrufen“, frage ich mich in dieser Zeit überdurchschnittlich oft. Gleichzeitig sprühe ich aber vor Ideen, erledige alle Aufgaben schnell und motiviert.
Nach dem ersten Drittel meiner Schrothkurzeit fühle ich mich allerdings weniger als Kurdirektor, sondern mehr als Schrothkur-/Urlaubsgast in Oberstaufen und genieße das Hotel Bergkristall mit seinem Wellnessbereich und der entspannten Liegewiese in vollen Zügen.
Kurabschluss – ich fühle mich pudelwohl
Und irgendwann kommt sie – die lang ersehnte Frage „Was möchtest Du morgen an Deinem ersten Aufbautag?“
Ich entscheide mich für eine Maultaschensuppe am Mittag und einer Folienkartoffel mit Kräuterquark und etwas Salat am Abend. Welch herrliche Gaumenfreuden entzücken meine sensibilisierten Geschmacksnerven – eine Geschmacksexplosion. Es ist unglaublich wie man seinen Gaumen durch eine zweiwöchige Schrothkur so sensibilisieren kann, dass man danach jede Nuance intensiv erleben und genießen kann.
Bei zwei Wochen Kur sind zwei Tage Aufbaukost immens wichtig, um nicht von einem Tag in den anderen ins „normale“ Leben zurück zu kehren. Der ganze Körper ist umgestellt und braucht wie auch am Anfang der Kur seine Zeit, um wieder zurück zu finden in die Normalität.
Das unglaubliche „Schrothkur-Gefühl“
Tagein tagaus befinden wir uns im Hamsterrad namens Alltagsstress. Die Schrothkur haut Dich mit einem Schlag heraus und lässt Dich runter fahren. Ich bin raus aus dem Hamsterrad – endlich einmal wieder seit langem – habe keinerlei Hungergefühle mehr, keinen Hunger und spüre wie die Schroth’sche Energie-Quelle angezapft ist.
Die zweite Woche bei der Schrothkur ist die beste. Die Energiequelle sprudelt endlos, die vormals enge Jeans passt perfekt und Trockentage stecke ich mit links weg.
An die Schroth´sche Tiefenentspannung könnte man sich schon gewöhnen. Was ist Stress?
„Der größte Sieg ist, sich selbst besiegen.“, sagte Pedro Calderón (spanischer Dramatiker und Poet). Ein nicht zu verachtender Punkt bei der Schrothkur ist die Stärkung des Selbstvertrauens. Wenn man eine Schrothkur durchhält und damit sich selbst oder genauer gesagt, seine Komfortzone besiegt, traut man sich wohl eher zu, auch andere Herausforderungen zu meistern, die auf den ersten Blick schwierig erscheinen.
Fazit meiner 2-wöchigen Schrothkur
Ich wiege 5 Kilo weniger, fühle mich blendend und freue mich, dass ich wieder „frei“ bin. Gerade beim Thema Essen fühlen sich manche am Ende der Schrothkur etwas hilflos. Einerseits würde man am liebsten sofort in die nächste Metzgerei oder Bäckerei stürzen und sich seinen Lieblingssnack holen, andererseits hat man Angst davor, dass der Alltagstrott und die Kilos schneller wieder da sind, als man das neu gewonnene Lebensgefühl genießen kann.
Wie jeder normale Schrothler nehme auch ich nun den Flyer „Ernährung nach der Schrothkur“ zur Hand. Es ist schon faszinierend, jeder hat schon hundertmal gehört, wie eine gesunde Ernährung aussieht – man wünscht sich aber trotzdem noch Anleitung. Die letzten zwei Wochen war das Bergkristall-Team für meine Ernährung und mein Gewicht zuständig, jetzt übernehme ich wieder die Verantwortung.
Die Schrothkur erfordert Disziplin und ist teilweise sehr anstrengend. Die Belohnung ist Entspannung, Selbsterkenntnis, ein neues Körpergefühl und viele neue Vorsätze. Ich kann dieses wunderbare Naturheilverfahren jedem empfehlen, der sich die Frage nach dem Wesentlichen stellt.