Wer an einem sonnigen Frühsommer-Tag das Tannheimer Tal ansteuert, dem geht das Herz auf: Die Löwenzahnwiesen sind schon gelb, die Berggipfel noch weiß – und mitten in dieser Idylle glitzert verheißungsvoll das Wasser der Seen. Geht da schon mehr als Zehenspitzen reinstecken? Wir haben den Selbstversuch im 11 Grad kalten Haldensee bei Grän und Nesselwängle gewagt. Diese Erfrischungskur wirkt nachhaltig…
Sonntagmorgen am Haldensee. Die Welt liegt noch im Pyjama. Nur eine kleine Entenschar ist schon fleißig unterwegs. Kurz nachdem wir unser Auto am Strandbad geparkt haben, begrüßt sie uns schnatternd. Wollen die Spaßvögel etwa, dass wir auch ins Wasser kommen? Noch ist es nicht so weit. Wir beginnen den Tag mit einem rund einstündigen Spaziergang um den See. Die Luft ist klar wie das Wasser, das von der Berger und der Nesselwängler Ache sowie vom Strindenbach in den See fließt. Noch liegt Tau auf den Blättern. Doch die Sonne wird bei jedem Schritt kräftiger. Schon bald klettert sie auf über 20 Grad. Soweit die gute Nachricht von unserem eigens mitgebrachten Thermometer. Die andere ist, sagen wir, ernüchternd: Als wir das Messgerät ins Wasser halten, zeigt es nur knapp über 10 Grad an. Puh…. Sollen wir wirklich?
Wir entscheiden uns für eine langsame Annäherung: Auf einem Steg lassen wir uns in der Sonne wärmen, dann werden die Zehen ins Wasser gestreckt und die ersten Schritte unternommen. Eine Kneipp-Kur vor dem Allgäuer Alpen-Panorama. Herrlich erfrischend. Wenngleich wir nach ein paar Sekunden bereits wieder zum Aufwärmen ans Ufer staksen. Nach ein paar Wiederholungen wächst die Lust auf mehr: auf unser ganz persönliches „Wellen-Wellness“.
Denn wir haben uns fest vorgenommen, an diesem Frühsommer-Tag den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Auf den Spuren von Goethe übrigens. Ob er jemals das Tal ansteuert, ist zwar nicht überliefert (wobei wir es für ihn hoffen…). Wohl aber sein Faible für Bäder in kalten Gewässern. Goethe sah darin das geeignete Mittel, das einen nach einem bürgerlichen Alltag „wieder zu einem neuen kräftigen Leben zusammenzieht.“ Auch der britische Baron Byron (1788- 1824) pries Naturbäder in höchsten Tönen. Für ihn waren sie gewissermaßen Kur und Therapie in einem. Gut für die Gesundheit und Wohlbefinden. „Sind nicht die Berge, Wellen, der Himmel ein Teil von mir und meiner Seele wie ich von ihnen?“, schrieb er und wusste, dass es für ihn nur eine Antwort darauf gibt: ja. Wir wärmen uns an diesem Gedanken. Denn letztlich kommt es immer auf die Sichtweise an. Wir nennen es nicht mehr kaltes Wasser. Wir nennen es Haldensee-Spa….
Also: Auf zur Tat! Auf in den Sommer! Schnell noch die Badehose angezogen und ab ins Vergnügen. Mit ausgebreiteten Armen lassen wir uns ins Wasser fallen.
Pflatsch!
Der erste Vollkontakt der Badesaison ist vollbracht.
Ja, er ist verdammt kalt.
Und: Ja, er wird nur ca. 10 Sekunden dauern.
Aber diese 10 Sekunden sind es wert. Der Haldensee im Frühsommer zieht einen tatsächlich zu neuem kräftigen Leben zusammen. Und Gott sei Dank, ist eine Belohnung auch nicht weit: Auf der direkt am See gelegenen Terrasse des Hotels Via Salina genießen wir Sonne pur, veredelt mit Kässpatzen und Marillenknödel. Der Sommer kann kommen…