Allgäuer Alpenblog

Einfach mal einen Gang runter schalten: das „Hotel Sommer“ am Forggensee

Alpen… äh, was bitte? Alpenwellness? Was ist das? Wir wollen wissen, ob es sich wirklich anders anfühlt, wenn man sich zwischen Almen anstrengt, auf 1000 Metern Höhe entspannt oder nach dem Saunieren in einen Bergbach steigt. Wir? Eine Fotografin und ein Autor aus Hamburg, zwei erfahrene Reisejournalisten, die ihrer Sammlung an Länderpunkten einen neuen hinzuzufügen – das Allgäu. Station 1: Eine Rennradtour mit Hoteldirektor Wolfgang Sommer, sein Haus eignet sich perfekt für Aktivreisende. Ein Hotelportrait von Dirk Lehmann (Fotos und Text)

Die Kette rattert klackernd zwei, drei Gänge hoch. Und noch einen. Denn es wird steiler und steiler. Wir gehen aus dem Sattel, stemmen uns die kurze Rampe hinauf und halten dann für einen Augenblick auf der Kuppe an, sehen einen Teil des zurückgelegten Weges: Wir sind vom Forggensee gekommen über Halblech und Unterreithen, vorbei am Biberschwöller See und durch Steingaden, und dann ging es über kleine, aber perfekt asphaltierte Landwirtschaftswege hinauf bis auf diese namenlose Kuppe hinter Maderbichl. Und Wolfgang sagt: „So kannst du hier stundenlang fahren.” Ich schnaufe. „Schön.“

Unsere Radtour begann am Morgen. Ich saß beim Frühstück, und Hotel-Chef Wolfgang Sommer drehte seine kurze Begrüßungsrunde, sprach mit allen Gästen und fragte schließlich mich, was mein Plan für den Tag sei. Als ich sagte, dass ich mein Rennrad dabei habe, bot er sich gleich an, mir eine tolle Tour zu zeigen. Und wenn ich nichts dagegen hätte, würde er mich auch begleiten. Ich sagte, großartig. Er sagte, er müsse nur noch etwas erledigen. Und erst später erfuhr ich, dass er einen Termin verschob. Der Hoteldirektor ist ein leidenschaftlicher Rennradfahrer. Wenn es sich einrichten lässt, schaufelt er sich auch mal zwei Stunden frei und geht mit seinen Gästen auf Tour.

Das „Hotel Sommer“ ist ein Haus in Ideallage am Forggensee, knapp anderthalb Kilometer von der Altstadt Füssens entfernt. An schönen Tagen kann man von der Wiese vor dem Außenpool die Königsschlösser sehen. Ein Hotelier ohne Vision würde sich hier nicht groß anstrengen, ein Haus so gut gelegen, lässt sich immer mit Tagesgästen und Bustouren füllen. Ein wenig Werbung in Zeitungen und Radio, ein paar mittelmäßig durchdachte Gewinnspiele, und schon hält man eine durchschnittliche Belegungsquote. Neuschwanstein, so möchte man meinen, will jeder sehen.

Aber Inhaber Wolfgang Sommer glaubt nicht an solche Mechanismen. Außerdem liebt er seinen Beruf viel zu sehr, als dass er Reisegruppe auf Reisegruppe durch sein Hotel schleusen wollte. Der groß gewachsene Mann mit dem freundlichen Gesicht, hält das 70-Betten-Haus ständig in Bewegung. Ursprünglich war es ein Tanzlokal vor den Toren der Stadt. Schon bald wurde den Gästen auch die Möglichkeit einer Übernachtung geboten. Als Wolfgang Sommer das Hotel von seinen Eltern übernimmt, hat es rund 20 Zimmer. Er baut es sukzessive aus, renoviert in regelmäßigen Abständen und steckt jetzt wieder mitten in einer Verjüngungskur, neue Möbel werden geliefert, einige Bereiche neu gestaltet.

Während Maler und Möbelschreiner dezent werkeln, werden im Hintergrund die Strategien für die Zukunft ersonnen. Es geht um das Hotel Sommer 2020. Soll es dann noch mehr ein Aktiv- und Sporthotel sein als es das jetzt schon ist? Oder lohnt sich die Neuausrichtung auf den Luxus-Gast, man könnte die Zimmerzahl drastisch reduzieren, die Einrichtung komplett ändern und ein Angebot machen, das hier im Raum noch fehlt? Doch der Neustart erfordert erhebliche Investitionen, wird ein solches Konzept in dieser Region überhaupt angenommen?

Wir rollen über eine schmale Straße auf einen Wald zu, die Sonne ist heraus gekommen, der Asphalt trocknet schnell. Es glitzert in den Pfützen. Und doch sitzt niemand auf der Bank am Wegesrand. Wolfgang („Unter Radlern duzt man sich doch.“) sagt, dass sein Hotel inzwischen eine Größe erreicht habe, in der man ständig über die Strategie nachdenken müsse. Wer Trends verpasst, wer dem Gast zu wenig bietet, der stürzt schnell ab. Es gebe viele Hotels in der Region, die sich verspekuliert hätten, indem sie nur auf die Nähe zu den Schlössern und die heile Welt der Berge gewettet haben.

Erste Entscheidungen wurden bereits getroffen, so wird demnächst die ohnehin schon große Wellnessabteilung in einem eigenen Gebäude am Seeufer noch erweitert. Zudem werden neue Energie-Konzepte verwirklicht – ein Blockheizkraftwerk, eine Solar-Anlage. Große Investitionen.

Auch die Ausrichtung auf den Fahrrad-Tourismus soll weiter forciert werden. So bietet das Sommer jetzt schon E-Bikes an, auf denen Freizeit- und Wochenendradler ohne große Mühen die zwar wunderschöne aber mitunter auch verdammt steile Welt der Allgäuer Berge erkunden können. Mountainbiker und Rennradfahrer finden viele Touren-Tipps und einen abschließbaren, video-überwachten Fahrradkeller mit Reparaturmöglichkeiten. Erstere haben auch die Möglichkeit, hochwertige Räder zu leihen. Ab nächstem Jahr soll es zudem Roadbikes von Focus geben.

Wolfgang Sommer liegen die Themen Aktivität und Gesundheit sehr am Herzen. Auf den Buffets und in den Speisekarten findet man zu jeder Mahlzeit auch so genannte Low Carb-Gerichte. Im Fitness-Bereich steht ein teurer Apparat zur Leistungsdiagnostik, der von den Gästen genutzt werden kann, um gezielter zu trainieren. Neben der Eingangstür kleben die Zertifikate diverser Radveranstalter. Mit großer Akribie bemüht sich das Hotel-Team, den Anforderungen der neuen Zeit gerecht zu werden – und besteht alle Aufnahmeprüfungen mit Auszeichung.

Jetzt ist es richtig anstrengend geworden. Nach einigen schönen Abfahrten über traumhaft sich dahin windende Straßen, kurbeln wir uns schweigend die für echte Pass-Radler sicherlich nicht Ehrfurcht erheischenden Serpentinen zur St.Georgs-Kirche hinauf auf dem Auerberg. Doch für einen Hamburger, dessen höchster Hügel 78 Meter misst, ist der erste Anstieg auf 1025 Meter – so mein Navi – nicht ohne. Oben angekommen hat man einen tollen Weitblick.

Wir machen eine kurze Pause und sehen dem E-Biker zu, der bergan mit Leichtigkeit an uns vorbei gesummt war, und sich nun auf den Rückweg macht. Wolfgang Sommer erzählt von seinen Kindern. Seine Tochter studiere und habe kein Interesse, das Hotel zu übernehmen, sein Sohn aber zeige Bereitschaft, den Betrieb fortzuführen. Den Wolfgang freut das. Obwohl er sagt, dass er keine Probleme damit gehabt hätte, wenn das Hotel Sommer nicht in der Familie geblieben wäre. „Es muss jeder selbst entscheiden.“

Wir machen uns auf den Rückweg, kommen durch Orte wie Pracht, Ussenburg und Rieden, vorbei am Hopfen- und am Weißensee, und haben zum Abschluss den fast 10-Prozent Anstieg zum Alatsee zu nehmen. Wir machen ein kleines Wettrennen, ich verliere knapp. Entspannt plaudernd folgen wir dem Lech, vorbei am Stadtrand von Füssen, zurück zum Hotel. Rund vier Stunden sind wir unterwegs gewesen. Trotz des mitunter wechselhaften Wetters – eine großartige Tour. Doch jetzt ist es Zeit für den Wolfgang, sich aus der schwarz-weißen Rennradmontour zu schälen und wieder Hoteldirektor Wolfgang Sommer zu werden. Die ersten Termine warten schon. Und auch sein Hund liegt bereits ganz ungeduldig unterm Tisch.

Am Nachmittag gehe ich erst in den Pool, setze mich dann in die Sauna, verteile ein wenig von dem Entspannungs-Öl, das mir das Sommer-Wellness-Team empfohlen hat, auf den Beinen und döse in einem der Liegestühle vor mich hin. Alpenwellness pur. Am Abend sitze ich im Restaurant, ein Salat, ein Pastagericht. Als ich beim Dessert angelangt bin, beginnt Hotelchef Wolfgang Sommer seine abendliche Runde. Wie der Tag so war, will er von seinen Gästen wissen. Schließlich setzt er sich zu mir. „Und, was machst’ morgen?“

FAZIT: Alpenwellness Teil 1. Zugegeben, ich liebe das Radfahren, erst recht wenn ich mich dabei quälen muss. Deshalb ist das ein leicht eingefahrener Sieg für das Hotel. Für die tolle Tour und die gesamte Ausstattung für Radler muss man die Höchstpunktzahl geben (wenn man welche vergeben würde). Auch für das Hotel würde ich viele Punkte geben, noch mehr, wenn die Bäder größer wären und weniger Deko-Artikel herum stünden; aber das ist Geschmackssache, der eine mag es, der andere steht wie ich auf kühle, eher karg eingerichtete Räume. Das Essen hat mir sehr gut gefallen, besonders das umfangreiche, auch gesunde Frühstück (lecker sind übrigens die Pfannkuchen).

Hotel Sommer. Ein feines Haus in toller Lage, Super-Service, gesundes Essen, Alpen-Wellness.

Die Tour. Ab Füssen auf den Radweg neben der B17, vorbei an Schwangau, Mühlberg, Buching, Halblech, Ried, Unterreithen, Fronreiten, Sandgraben, Steingaden, ab da auf Landwirtschaftsweg über Maderbichl, Riesen und Hirschau nach Bernbeuren, hinauf nach St. Georg, runter nach Burgleiten, von da in Richtung Süden und über Steinbach entlang auf dem Radweg an der B16, auf einer alten Bahntrasse nach Roßhaupten, Vorderzwieselberg, Rieden bis Erkenbollingen. Ab da geht es nach Heidelsbuch und am Hopfensee entlang auf der ST2008 über Schraden und Wiedemen und Hof bis Vorderegg. Am Ufer des Weißensee durch Oberried und Moos zum Schlussanstieg hinauf auf den Alatsee. Von da das letzte Stück bis Füssen.

 

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