2. Etappe: Von Füssen nach Pfronten auf der Himmelsstürmer-Route im Allgäu
Inmitten der Füssener Altstadt wache ich auf. Bevor ich mich auf meine heutige Wanderung nach Pfronten begebe, schlendere ich noch ein wenig durch die Straßen und Gassen der bezaubernden Altstadt.
Es ist ruhig…noch. Dem Reiz dieses mittelalterlichen Städtchens erliegen zahlreiche Besucher, was ich nur allzu gut nachvollziehen kann. Die Geschichte der Stadt reicht zurück bis in die Römerzeit. Mit den vielen Brunnen, den herrlichen Plätzen und den einladenden Straßencafés und Eisdielen verströmt die Stadt eine Leichtigkeit, etwas Mediterranes. Altehrwürdige Bauwerke prägen das Gesicht der Stadt: das Hohe Schloss zählt zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Burganlagen Bayerns, das Kloster St. Mang erinnert an Bauwerke in Italien und sehenswerte sakrale Bauten deuten auf vielfältiges religiöses Leben hin.
Traditionelle Geigenbauer im Kornhaus Füssen
Am Schrannenplatz fällt mir die weiß-rote Türe des historischen Kornhauses auf. Ich öffne sie, steige eine steile Treppe hinauf und bald hängt über mir der Himmel voller Geigen.
Nein, kein Spruch, sondern Tatsache! Ich befinde mich direkt unter dem Dach des Hauses in der Werkstatt des Geigenbauers Pierre Chuabert sowie des Zupfinstrumentenbauers Urs Kangenbacher. Nach freundlicher Begrüßung sitzen wir an einem kleinen Tisch, trinken Cappuccino und ich lausche gespannt den Geschichten der beiden Künstler. Im Jahre 1562 wurde in dieser Stadt die Zunft der Lautenmacher gegründet – die erste Europas. Alles was für den Bau von Zupfinstrumenten und Geigen benötigt wurde, fand man vor der Haustüre. In den nahen Wäldern fand man die passenden Fichten und Ahorne (das Aufspüren des „richtigen“ Baumes ist nicht einfach!), die sehr gute Verkehrsanbindung sorgte für den Warentransport sowie für den Vertrieb der wertvollen Instrumente. Die Handelsstraße Via Claudia Augusta führte über die Alpen, mit dem Lech hatte man gute Verbindungen nach Augsburg. Die Nachfrage nach Instrumenten aus Füssen stieg beständig und in der Blütezeit verzeichnete die Zunft 22 Werkstätten in der Stadt. Dann kam der 30jährige Krieg und damit versank der Beruf in der Bedeutungslosigkeit. Mitte des 19. Jahrhunderts gab der letzte Geigenbauer auf. Dann kam das Jahr 1982 und damit Pierre Chuabert. Der Geigenbaumeister besann sich auf die Tradition dieser Stadt, richtete seine Werkstatt ein und baute hier nun wieder Geigen. 1999 gesellte sich Urs Kangenbacher hinzu und nun werden unter einem Dach wieder Geigen und Gitarren in Handarbeit hergestellt. Inzwischen gibt es in der Stadt noch drei weitere Geigenbauer. Wie sagt Pierre Chuabert zum Abschied: „Füssen ist für mich der Nabel der Welt“.
Aufbruch nach Pfronten, dem heutigen Ziel auf meiner Tour durch das Allgäu
Dem kann ich nichts hinzufügen und so begebe ich mich auf meine Wanderung nach Pfronten.
So dicht die Orte auch beieinander liegen, so sehr unterscheiden sie sich. Die Gemeinde Pfronten besteht aus 13 Ortsteilen und Zünfte gab es hier nie. Die Pfrontener bewahrten sich seit jeher ihre Freiheit, waren kreativ und einfallsreich und nahmen die Dinge immer selbst in die Hand. So lebten hier gerne Künstler und Tüftler und es gab seit jeher einen engen Zusammenhalt. Verständlich, dass dem auch so sein musste, wollte man seinen Freigeist doch keinesfalls den Regularien irgendwelcher Herren unterordnen. Sehr sympathisch… Und einfallsreich sind die Pfrontener bis heute: auch mit Heu!
Wer glaubt, dass getrocknete Gräser nur Kühen schmeckt, der sollte sich hier eines Besseren belehren lassen und mal mit der Pfrontener Bergwiesenkönigin „ins Heu gehen“. Bergwiesenheu ist wertvoll und eignet sich mit seinen über 70 Heilpflanzen (selbstverständlich wurden die Wiesen weder beweidet noch gedüngt!) zur „alpinen Wellness“. Ob nun in kosmetischen Produkten, auf dem Teller und im Glas oder als wohltuende Massage, Wickel und Kompresse – im Hotel Berghof gibt’s das volle Programm.
Hier finden Sie alle Beiträge von Thorsten Hoyer zur Wandertrilogie Allgäu