Alpen… äh, was bitte? Alpenwellness? Was ist das? Wir wollen wissen, ob es sich wirklich anders anfühlt, wenn man sich zwischen Almen anstrengt, auf 1000 Metern Höhe entspannt oder nach dem Saunieren in einen Bergbach steigt. Wir? Eine Fotografin und ein Autor aus Hamburg, zwei erfahrene Reisejournalisten, die ihrer Sammlung an Länderpunkten einen neuen hinzuzufügen – das Allgäu. Station 2: Ein Interview mit Sonja Schädler, ihr für seine Schrothkuren bekanntes Hotel Rosenalp will mehr sein als ein Gesundheitsresort – ein Ort mit Vision und Stil. Ein Hotelportrait von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Dass das Hotel „Rosenalp“ quasi im Ort liegt, merken wir erst nicht. Wir kommen an in Oberstaufen, biegen ein in die Bürgermeister-Hertlein-Straße, stellen unseren kleinen Mietwagen ab auf dem großen Parkplatz, checken ein und genießen den Blick aus dem Zimmer über die Felder und auf waldreiche Hügel. Und erst beim abendlichen Spaziergang verstehen wir die Lage. Und wir fragen uns, warum uns nicht schon vorher aufgefallen ist, dass die Rosenalp eigentlich ein Stadthotel ist. Okay, eher ein Dorfhotel, hat die Gemeinde doch kaum mehr als 7000 Einwohner. Ist es uns nicht aufgefallen, weil das Haus sofort wirkt?
Eine nicht ganz einfache Mission steht uns bevor. Wir wollen ein Hotel beschreiben, das bekannt ist für seine Gesundheits-Angebote in einem Ort, der berühmt ist für die Schroth-Kur. Doch leider haben wir keine Zeit, jetzt selbst eine zu machen. Mindestens eine Woche solle man einplanen für eine erfolgreiche Entschlackung. Wir aber werden nach zwei Nächten schon wieder zurück in den Norden fliegen, keine Chance für authentisches Schrothen. Wir beschließen, uns schrothig zu ernähren und mit den Gastgebern ein Interview zu führen.
Bei einer ersten Hotelführung präsentiert sich das Hotel Rosenalp als vermeintlich typisches Alpenhotel: mehrere Gebäude mit flachwinkligen Dächern, holzverkleidete Balkone mit Blumenkästen. Auch bei der Einrichtung überwiegt der Alpen-Stil, die Ruhe erdig-kraftvoller Farben, solide Möbel, helle Vorhänge mit Blumenmotiven. Doch zeigt man uns auch ein großes, lichtdurchflutetes Fitness-Center mit modernen Geräten, eine physiktherapeutische Praxis mit Yoga-Raum, eine Beauty- und Kosmetik-Abteilung mit Produkten von Carita und Shiseido. Es gibt ein Spa mit Saunen, Innen- und Außenpool, und einen modernen Anbau, rechtwinklig, licht, mit offenen Holzdielen und Glasflächen, der die Bar, einen Lounge-Bereich und diverse Restaurants beherbergt.
Und schon nach der ersten Begehung ist dieses Haus alles andere als typisch. Man spürt geradezu die Ernsthaftigkeit, mit der hier zu Werke gegangen wird. Und so überrascht es nicht, dass die Tester des Wellness- und Medical-Wellness-Führers „Relax-Guide“ der Rosenalp 15 Punkte (von maximal 20) gegeben haben und zwei von vier möglichen Lilien.
Die Rosenalp ist kein kleines Hotel. Und doch ein ruhiges: Von den 80 Zimmern sind mehr als die Hälfte vor allem für Alleinreisende gedacht. Denn viele Gäste, die hier ihre Ferien verbringen, kommen um eine Schrothkur zu machen. Die beginnt mit einer ärztlichen Untersuchung, es folgt die Darmentleerung und eine fortan reduzierte Kost, um den Körper zu entschlacken. Früh morgens wird der Gast von Zeit zu Zeit geweckt, dann kommt die Schroth-Kurpackerin mit ihren Wickeln, „packt“ den Gast ein, damit er die Giftstoffe aus seinem Körper schwitzt. Und vieles davon möchte man doch lieber allein erleben.
Ein Kur-Hotel also… Doch unsere Gesprächspartnerin korrigiert sogleich: „Ein Gesundheitsresort.“ Uns gegenüber sitzt Sonja Schädler, Gastgeberin in der Rosenalp, die seit 40 Jahren ein Familienbetrieb ist, mehrere Generationen arbeiten hier. Die Chefin ist eine dynamische Frau voller Tatkraft und sehr meinungsstark. Und das bekommen wir sofort zu spüren, als wir – zugegebenermaßen ein wenig ketzerisch fragen –, ob man sie nicht bemitleiden müsse dafür, in diesen Wellness-Zeiten so ein Kur-Hotel zu leiten?
Sonja Schädler: Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind froh, nicht auf den Wellness-Zug aufgesprungen zu sein. Wir meinen, es braucht keine 25 Saunen in einem Hotel, von denen dann viele gerade groß genug sind für zwei Personen. Wir wollen ja das Gegenteil von Freizeitstress bei unseren Gästen auslösen, die von einer Sauna in die nächste hetzen, nur um nicht eine zu verpassen, wir wollen Erholung anbieten, Ruhe, Entspannung.
Aber vor allem sind Sie spezialisiert auf Schrothkuren. Was ist das genau?
Entdeckt wurde diese Heilmethode vom Fuhrmann Johann Schroth, der erkannte, dass feuchte Wickel, ein Wechsel von so genannten Trink- und Trockentagen die Selbstheilungskräfte im Körper anregen. Bei vielen Erkrankungen ist die Schrothkur hilfreich, etwa bei Gicht, Migräne, Allergien, Diabetes, Burnout…
Wie passt das zusammen mit dem Ruf Oberstaufens, ein – ähem – Party-Ort zu sein?
Seit 1959 ist Oberstaufen ein Kurort. Zur Kur fährt man oft allein. Und man trifft andere, die ebenfalls allein kuren. So entstand der Mythos vom Kurschatten. Doch in Wahrheit ist dies ein Ort der Erholung.
Weil die Gäste ruhiger geworden sind?
Ich möchte es anders formulieren: Sie suchen Ruhe. Anfangs distanzieren sich die Gäste von anderen, sind mit sich selbst beschäftigt. Man genießt auch die Auszeit. Langsam lernt man einander kennen, bildet schließlich kleinere „Leidensgemeinschaften“, wie wir sie scherzhaft nennen. Man tut zusammen etwas Gutes für sich.
Wie schlimm ist denn so eine Schrothkur?
Die ersten drei Tage sind nicht ohne: Manche kriegen Kopfweh, man fühlt sich müde und schlapp. Man muss sich Ruhe gönnen, eine Auszeit. Im Alltag hat man dafür doch kaum noch Zeit.
Wofür nimmt man das auf sich?
Nach einer Woche fühlt man sich leichter, lebendiger. Man hat abgenommen, eine große Ruhe gewonnen, die Haut strahlt. Wie stark dieses Gefühl sein muss, belegen unsere Erfahrungen, dass fast alle Gäste wieder kommen.
Besteht kein gesundheitliches Risiko, wenn man so wenig isst und trinkt?
Wir haben eine Ärztin im Hotel, die Eingangsuntersuchung bei ihr ist für unsere Schrothkur-Gäste obligatorisch. Nur wenn sie grünes Licht gibt, können wir dem Gast die Anwendung auch anbieten. Selbstverständlich gehen wir zu 100 Prozent auf Ernährungsempfehlungen, etwa in Bezug auf Unverträglichkeiten und Allergien. Im Vordergrund steht bei uns der Gast.
Es gibt viele alternative Heilmethoden. Ist die Schrothkur noch zeitgemäß?
Traditionelle Angebote ergänzt um alternative Ernährungsformen, metabolic Balance und gesunde Vitalkost mit wenigen, dafür hochwertigen Zutaten – das ist unsere modernisierte Variante der Schrothkur. Im Allgäu gibt es keine exotischen Gemüse und Gewürze. Für mich ist die Schrothkur das deutsche Ayurveda.
Wo sehen Sie die Rosenalp in der Zukunft?
Wir wollen unseren Gästen noch mehr mehr die Möglichkeit bieten, sich um sich selbst zu kümmern. Denn wir machen die Erfahrung, dass uns die Gäste für diese Ernsthaftigkeit schätzen. Wir arbeiten mit exzellenten Physiotherapeuten zusammen, die nicht bloß streicheln, sondern hilfreiche Massagen anwenden. Wir bieten hochwertige, gesunde Speisen und ein umfangreiches Aktivprogramm. Wir werden unser Haus weiter modernisieren, ein neues Spa bauen. Wir wollen die Voraussetzungen schaffen dafür, dass man hier zu sich findet. Wir sehen die Rosenalp als Ort, der Kraft spendet. Nicht nur, aber auch mit der traditionsreichen Schrothkur.
Zu sich finden. Die Rosenalp ist ein lebendiger Ort und ein anspruchsvolles Hotel. Wir mochten die Zimmer im Erdgeschoss zur Südseite, die Wiese am Pool ist wie eine Terrasse.
Richtig Schrothen. Wer sich informieren will über die Schroth-Kur mit ihren vier Säulen – Schrothsche Diät, Schrothsche Packung, Schrothsche Trinkverordnung, Ruhe und Bewegung – findet hier die wichtigste Punkte gut erklärt.
Kritik kennen. Der Deutsche Wellnessverband kritisiert den Begriff des „Entschlackens“, im Körper gebe es keine Schlacken. Gelobt wird der bewusste Umgang mit der Ernährung.
In den Bergen. Oberstaufen ist schön. Wer mehr über den Ort an der Grenze zu Österreich erfahren will, findet hier einen Überblick.