Wir machen uns auf den Weg, erkunden die Städte des Allgäus in Rund- und Spaziergängen, Betrachtungen und Gesprächen. Wir? Eine Fotografin und ein Autor aus Hamburg, zwei erfahrene Reisejournalisten, die ihrer Sammlung an Länderpunkten einen neuen hinzuzufügen wollen – das Allgäu. Ein Stadtportrait von Susanne Baade und Dirk Lehmann
Dieses Schiff ist eine manifestierte Gesetzeslücke, ein kleiner Triumph des gesunden Menschenverstands und der Beweis dafür, dass Leidenschaft wirklich etwas bewegen kann. Denn eigentlich, so erzählt Hans Seltmann jetzt, ist es in der bayerischen Schifffahrtsverordnung gar nicht vorgesehen, für einen Segler eine Fahrgastschifferlaubnis auszustellen.
Ohne eine solche aber wäre die „Santa Maria Loreto“ für den Personentransport eigentlich nicht zulässig. Und für eine gewisse Zeit schien die Idee gescheitert – einen Bootstyp wie die vom Bodensee bekannte Lädine, auf dem Großen Alpsee zu betreiben. Dass wir nun an Bord des hübschen Zwei-Masters sind, belegt dass es noch geklappt hat.
Die leidenschaftlichen Segler mochten ihren Plan nicht aufgeben, sie suchten nach Unterstützern und fanden ausgerechnet in der Behörde einen Befürworter. Der machte einen bauernschlauen Vorschlag, wie man die eigenen Vorschriften umgehen könne – indem das Schiff ohne Fahrplan fährt. Dann ginge es auch ohne die oben erwähnte Erlaubnis.
So wurde ein Verein gegründet für die Santa Maria Loreto. 12 Mitglieder hätte der gebraucht, mehr als 70 meldeten sich innerhalb kurzer Zeit. Und das obwohl die Presse eher wenig schmeichlerisch über die Segler-Vereinigung auf dem Alpsee berichtete, Seltmann und seine Mannen wurden bezeichnet als verrückt gewordene Freizeitsegler. Ihr Ansinnen schien fast unanständig.
Es tut gut, Menschen zu treffen, die an ihre Ideen glauben und ihre Träume auch gegen Widerstände verwirklichen. Und plötzlich sieht man jemanden wie Hans Seltmann mit ganz anderen Augen. Dabei ist der pensionierte Malermeister ohnehin eine bemerkenswerte Person – wie er da in seiner roten Regenjacke auf dem Deck des Schiffes steht, sportlich, drahtig, das wettergegerbte Gesicht in den Wind haltend, sein eigentlich kleines, aber nicht nur einfaches Revier abschätzend. Ein Mann von 77 Jahren. Und man denkt sofort: So möchte ich auch altern.
Immenstadt könnte man vielleicht als die Sport-Hauptstadt des Allgäus bezeichnen. Ein international bekannter Triathlon startet hier, ein krasser Gebirgsmarathon, diverse Regatten, und fast alle Radrouten, die durch das Land führen, kreuzen die hübsche Stadt. Auf dem Marktplatz parken die oftmals schwer bepackten Räder neben der Statue zu Ehren der Kapuziner-Mönche, die sehr beliebt dafür waren, dass sie Brot an die Armen verteilten. Die Radler sitzen im Biergarten oder im Eiscafé, genießen einen sonnigen Nachmittag.
Auch wir machen hier eine Pause, gönnen uns ein Eis am Marienplatz vor dem einstigen Stadtschloss aus dem Jahr 1550, schlendern vorbei am früheren Kapzuinerkloster und durch dessen schlichten, aber auch schlicht schönen Garten, sehen für einen Moment der Konstanzer Ach zu, wie sie in ihrem Bett spielt und machen uns dann auf den Weg in den Ortsteil Bühl und zum Großen Alpsee, dem größten Natursee des Allgäus.
Nahe beim coolen AlpSeeHaus mit seiner für Kinder perfekten Ausstellung über den Lebensraum am auf 724 Meter Höhe gelegenen See und seinen für Erwachsene perfekten Kleinigkeiten aus der kulinarischen Welt des Allgäus – besonders die hier zu Verkostung und Verkauf angebotenen Käse der Käserei Diepholz haben es uns angetan –, entstand eine hübsche Marina. Hier liegt das 2003 in einer Werft am Bodensee erbaute Segelschiff. Und es strahlt, als wäre es gerade erst zu Wasser gelassen. Die Vereinsmitglieder lackieren ihre Santa Maria Loreto jeden Winter.
Wir gehen an Bord des 12 Meter langen Schiffes. Ein bayrischer Männerchor ist noch mit von der Partie. Mit Hilfe eines Elektromotors summt der Zweimaster auf den offenen See hinaus, der Hubkiel wird abgelassen und die drei Segel gesetzt. 44 Quadratmeter, in die der Wind jetzt greift, und man spürt wie das Boot sich leicht zur Seite legt und Fahrt aufnimmt.
Segeln macht glücklich. Das Gluckern des Wassers. Das leise Brummen der straffen Segel. Um uns die Berge. Für einen Moment zählt nur der Moment. Und irgendwie passt es zu diesen Empfindungen, dass uns Hans Seltmann nun auf das buddhistische Kloster aufmerksam macht, das in den Hügeln oberhalb des Ufers liegt.
Nicht so ganz dazu passt, dass jetzt dunkle Wolken aufziehen. Ganz plötzlich. Sie kommen nicht von Westen, wie man eigentlich erwarten würde, sondern über die bis zu 1400 Meter hohen Berge im Süden. Und genau so schnell wie der Himmel grau geworden ist, beginnt es zu regnen. Die Passagier verstecken sich unter Schirmen, und der Hans erzählt einen Witz. Von zwei Freundinnen, die sich über ihre Männer unterhalten. Eine klagt, dass ihrer eine Geliebte habe. Die andere mault, ihrer habe das Golf-Spiel für sich entdeckt. „Hätte er doch bloß auch eine Geliebte, dann würde er nicht ständig vom Golfen reden…“ Lautes Gelächter an Bord. Denn merke, je schwieriger die Bedingungen, desto größer die Bereitschaft, sich zu amüsieren.
Irgendwer an Bord meint, es müsse noch ein Witz erzählt werden. Doch der Chor beginnt einfach zu singen, einen Kanon. Und so segeln wir mit musikalischer Untermalung über den 3,2 Kilometer langen See. Was ein wundervoll romantischer Moment. Das andere Paar sitzt Händchen haltend an Deck. Und wir kreuzen durch den Regen zurück nach Immenstadt.
Wasserfreunde. Alles was man über Kleinen und Großen Alpsee wissen muss.
Kreuzfahrten. Sie wollen auch auf See gehen, hier finden Sie die Infos zur Lädine auf dem Alpsee.
Bergwelten. Das AlpSeeHaus bietet Info-Material über die Region, eine Ausstellung, Käse und Kuchen und einen warmen Platz für nass gewordene Segler.
Sportfans. Aktiv-Angebote von der Familienwanderung bis zum Triathlon. Termine, Links, etc.
Erfrischung. In der Stadt empfehlen wir eine kurze Pause mit Eis und einem Espresso.
Infos. Veranstaltungen, Übernachtungen, Stadtführungen. Erste Anlaufstelle für Besucher.