„Mama, organisier uns mal eine schöne Bergtour mit Hüttenübernachtung“, forderte unlängst unser ältester Sohn Tobias, in Dresden studierend. Er will seiner Freundin, eine Thüringerin, die Allgäuer Alpen zeigen. Und dann gleich mit Hüttenübernachtung. Ohje, dachte ich mir, nun wird es Ernst, zumal Bogdana noch nie auf einem Fernwanderweg oder Trail unterwegs war. Auch hat sie noch nie beim Wandern auf einer Berghütte übernachtet. Und so fiel die Entscheidung für die Wanderroute leicht: Wir entschieden uns für einen Abschnitt der Steinbock-Tour und die Übernachtung auf der privaten Einzianhütte in den Oberstdorfer Bergen.
Und los geht es, vom Fellhorn-Parkplatz am Anatswald nach Birgsau bis nach Einödsbach.
Südlichster und höchst gelegener, ganzjährig bewohnter Weiler in Deutschland.
Nach gut vier Kilometern wandern erreichen wir Einödsbach, ein Berggasthof der seit 150 Jahren in Familienbesitz ist. Nun geht es den Berg hinauf. Über Bergwiesen, durch Tobel, schließlich geht es serpentinenartig am Berg entlang und wir haben nach rund 3,5 Stunden die Enzianhütte erreicht. Nicht ohne vorher auf der Petersalp auf ein Radler eingekehrt zu sein.
Bogdana ist Stolz, zum ersten Mal auf einer Berghütte in dieser Höhe, 1.804 m, zu sein. Wir übernachten auf der Enzianhütte, beziehen unser Zimmer und ich bin froh, den Bergneuling nicht gleich in einem der großen DAV-Hütten eingebucht zu haben. Nun können wir mit leichterem Gepäck noch eine Tour machen. Vorher aber gibt´s noch einen Apfelstrudel.
Wir wollen zur Rappenseehütte, nur noch eine knappe Stunde Aufstieg und wir haben mehr als 2.000 Meter erreicht. Doch vorher wartet auch im August noch eine richtige Herausforderung auf Bodgdana – ein Schneefeld.
Aber gerade das Schneefeld sorgt beim Aufstieg für Abwechslung und die Spannung steigt. Was wohl noch folgt, denn es sind ja noch nichtmals 2.000 m Seehöhe erreicht. Am Rappensee zeigt sich die Bergwelt in ihrer ganzen Pracht.
Für heute reicht es und wir treten den Abstieg zur Enzianhütte an. Der Ausblick ist wunderschön und vor allem Bogdana genießt den Blick ins Tal – und ist überwältigt vom Gefühl, was man aus eigener Kraft an Höhenmetern überwinden kann. Auf dem Sattel sieht man die Enzianhütte.
Wir sind alle richtig müde und freuen uns nun auf das ausgezeichnete Essen von Daniel Schwegler, vom Magazin „Feinschmecker“ zu Recht ausgezeichnet. Wir starten mit dem Vorspeisenteller. Schlemmen in den Bergen, mit diesem Slogan wirbt Daniel Schwegler, und ich muss sagen es stimmt. Schon allein der Aufstieg als Tagestour lohnt sich, wie ein Blick in die Speisekarte zeigt.
Im Mehrbettzimmer lässt sich gut schlafen – vor allem nach einem solchen schönen Tag. Bogdana ist erstaunt, welchen Komfort die Enzianhütte bietet: Neben der ausgezeichneten Küche gibt es professionelle Massagen durch den Hüttenwirt Daniel, der nicht nur Koch, sondern auch Masseur ist. Die Verwunderung ist groß, auf der Hütte auch noch einen SPA-Bereich mit Whirlpool und Sauna vorzufinden. Aber der Blick zeigt, dass wir tatsächlich auf über 1.800 m Höhe sind, keine Bergbahn, keine Fahrstraße. Den Weg hier hinauf finden nur Wanderer. „Das ist Alpenwellness pur“, freut sich Bogdana.
Am nächsten Tag gehen Bogdana und Tobias noch mit bis zum Rappensee, beschließen dann aber langsam abzusteigen.
Berthold und ich wollen noch auf den Rappenseekopf und folgen dann den beiden. Vorher muss ich aber zumindest mit den Füßen in den Rappensee.
Ein Blick hinunter zur Rappenseehütte – man könnte meinen, sie stehe am Abgrund. Rund um das DAV-Haus ist viel los, kein Wunder, bietet doch die Hütte über 300 Lagerplätze an und liegt am Heilbronner Weg, einer beliebten Wanderroute. Auch hört und sieht man rund um den See Murmeltiere, aber auf dieser Höhe sind nur noch Krähen unterwegs. Bergsteiger sind auch selten, so manch einer kehrt lieber um.
Schließlich erreichen wir das Gipfelkreuz auf 2.469 m Höhe und unmittelbar auf der Grenze. Unter uns wieder die Rappenseehütte.
Wir steigen wieder ab, wir wollen abends noch im Karatsbichl einkehren. Der Karatsbichl ist wohl eines der traditionsreichsten und originalen Gasthäuser in Oberstdorf. Bodgana soll nach ihrer Bergtour noch erfahren, wo das niederländische Königshaus seinerzeit im Winter das Skifahren gelernt hat. Zudem fahren wir am Gasthaus fast vorbei, es liegt im Stillachtal auf der westlichen Seite kurz bevor wir Oberstdorf erreichen. Zuvor aber beeindruckt uns nocheinmal die Bergwelt.
Schließlich sehen wir wieder unser Ziel, das Stillachtal, welches ins Illertal mündet. Die Iller ist uns eine gute Bekannte, fließt sie doch in unmittelbarer Nähe von unserer Heimat. Bei hohem Wasserstand hören wir sie rauschen, aber das ist eine andere Geschichte von einem Urkrafttal, wie der Trilogieraum der Himmesstürmer-Route der Wandertrilogie Allgäu genannt wird.
Bogdana war zwar richtig fertig nach den zwei Tagen, aber auch glücklich – man sieht es ihr an. Und sie war erstaunt, welchen Komfort man auf einer Hütte haben kann. Für sie steht fest, dass Wandern auch für sie etwas ist. Und man braucht noch nicht einmal eine Wanderkarte, denn die Wanderwege sind bestens mit Zeitangaben ausgeschildert. Und sie hat gelernt, dass im Allgäu die Alpem Alpen heißen, also gleich wie die Alpen, das Gebirge. Und Alpe heißt auch das Weidegebiet – verwirrend und so kommen die beiden zum Viehscheid wieder aus Dresden angereist.