Wandern von Hütte zu Hütte ist so beliebt wie nie. Und gerade hier bietet das Allgäu eine Auswahl an guten Zielen für eine abwechlungsreiche Wanderung. Hütten in passablen Abständen sind eine richtig gute Motivation, zum einen wegen der Einkehr, zum anderen als Etappenziel. Und so haben wir uns einfach auf den Weg gemacht, trotz unsicherer Witterung. Wir haben Wettervorhersagen ignoriert, stattdessen Regenkleidung in den Rucksack gepackt.
Die Etappenziele bei unserer Wanderung: Fiderepass Hütte – Mindelheimer Hütte – Rappenseehütte – Enzianhütte. Sicherheitshalber haben wir aber unsere Übernachtung in der Mindelheimer Hütte gebucht, auch wenn wir unter der Woche unterwegs waren. Und wir waren erstaunt, dass fast alle Plätze ausgebucht waren.
Als Ausgangspunkt haben wir den Parkplatz der Fellhornbahn gewählt. Von hier aus geht´s über einen gut markierten Wanderweg hinauf. Der Aufstieg ist anfangs steil, aber durch die Lage im Wald eigentlich richtig angenehm. Auf diesem Stück begegnen wir noch Wanderern. Hat man das Warmatsgundtal erreicht, ist man in der Bergwelt allein. Irgendwie scheint die Fellhornbahn sich auf dieses Gebiet nicht auszuwirken. Wir genießen die Stille. Auf der Höhe des Fiderepasses hören wir Stimmen und wir bemerken gleich woher diese kommen: Kleine Gruppen, oft Familien, wandern von der Bergstation Kanzelwand- oder auch Fellhornbahn. Deren erstes Etappenziel für eine Übernachtung ist die Fiderepass Hütte. Wir wollen dort nur während unserer Wanderung nur einkehren.
Die Fiderepasshütte liegt auf 2.070 m Höhe und hat in den letzten Jahren eine Erweiterung erfahren: Der Anbau ist geschickt versteckt, in ihm befinden sich neue Schlafplätze und ein heller Ausfenthaltsraum – übrigens mit einem riesigen Flatscreen an der Wand, Fußballfans mussten während der WM auf kein Spiel verzichten.
Wir bleiben auf der Terrasse, über die übrigens die deutsch – österreichische Grenze verläuft, und beobachten Bergsteiger, wie sie sich auf den Weg machen, teils mit Kletterausrsütung, teils ohne. Hoch über die Steilwände der Schafalpköpfle und dem Kempter Köpfle führt der Mindelheimer Klettersteig. Mit bloßem Auge kann man die Leiter erkennen, die zwei Spitzen verbindet und die steilste Passage abfängt.
Wir wollen auch den Klettersteig überwinden um zur Mindelheimer Hütte zu gelangen und machen uns nach dem Essen auf. Die Wolkendichte hat leider zugenommen und als wir kurz vor dem Einstieg sind, nieselt es schon. So beschließen wir dann doch den Krumbacher Höhenweg zu nehmen, anstelle Klettern dann eine Wanderung.
Als wir auf der Hütte ankommen, ist die Sicht noch gut, die Wolken bleiben auf der Westseite hängen. Unter uns das Rappenalptal.
Ich bin immer wieder überrascht, wie gut die Küche auf den Hütten ist: Nicht nur dass die Auswahl an Gerichten auch für Vegetarierer groß ist, sondern auch über die Qualität. So bekommt man auf der Mindelheimer Hütte hausgemachte Nudeln serviert: Von Spaghetti über Bandnudeln zu Maultauschen und selbstverständlich Spätzle. Auch beim Frühstück kann man zwischen hausgemachtem Birchler-Müsli, gängigem Müsli und dem Frühstücksteller mit Brot, Marmelade, Käse und Butter wählen. So gestärkt, kann man die nächste Wanderung gut angehen. Die Hütte klärt übrigens sehr gut auf über die Ökologie in den Bergen: Warmes Wasser, Strom, geheizte Stube, Trockenraum, gutes Essen, all das ist in der Bergwelt mit hohem Aufwand und vor allen Anforderungen an die sensible Umwelt verbunden. Im Laufe des Abends füllt sich die Mindelheimer Hütte, unser Lager ist mit 13 Plätzen fast ganz ausgefüllt, für Kinder wäre lediglich unter den Dachschrägen noch Platz. In der Nacht tobt ein Sturm um die Hütte, der Regen prasselt. Am nächsten morgen gegen halb neun Uhr ist das Unwetter aber vorbei und die ganz Hütte leert sich. Die meisten wandern in Richtung Kleinwalsertal, die Bergschule OASE macht sich wie wir auf über den Fernwanderweg Via Alpina in Richtung Rappenseehütte.
Wir wandern zum Schrofenpass. Mountainbiker sehen wir nicht, nur deren Reifenspuren. Das Schild gibt aber Aufschluss über die Gefährlichkeit des Weges: „Joram Lieber Radlermann, kommst du an diesem Schrofen an, trag dein Rad links, dann gelingt´s. Trägst du aber rechts, dann dein Hals dir brechst.“ Und so laufen wir dann vorsichtig weiter, nicht dass uns noch ein Radler entgegen kommt!
Ich will noch einen Blick hinunter nach Warth ins Lechtal werfen und so wenden wir uns Richtung Süden. Allerdings ist es mittlerweile so nass, dass wir von Warth nicht so viel sehen, dafür zeigt sich im etwas trockenerem Allgäu ihre Hoheit, die Höfats umso beeindrucker.
Mittlerweile ist es auch auf der Allgäuer Seite richtig nass, wir durchqueren bei unserer Wanderung den Mutzentobel. Hat auch was, die Farben im Regen. Die Bergwelt wirkt jetzt archaisch. Und man erfährt unter den eigenen Füßen was fluviale Erosion ist.
Den Kaffe trinken wir auf der Rappenseehütte. Dann steigen wir hinab zur Enzianhütte wo wir etwas essen wollen. Wir hängen unsere Jacken und Hosen in den Trockenraum, lassen dort die nassen Rucksäcke, ziehen Hüttenschuhe an (die gibt´s dort auch für Tagesgäste) und können ganz gemütlich in der Stube Platz nehmen. Noch haben wir Hoffnung, beim letzten Abschnitt unserers Weges auf unsere Regenkleidung verzichten zu können. Es sind nur wenige Wanderer auf der Hütte, die meisten Übernachtungsgäste kommen wohl noch gegen späteren Nachmittag.
Schließlich machen wir uns weiter auf den Weg hinab ins Tal. Der Regen macht uns nichts mehr aus. Im Gegenteil, er hat etwas Meditatives: Man hört nichts mehr (wegen der Kapuze), nur die eigenen Schritte. Der Regen lasst den plätschernden Bach auf dem Weg nie versiegen und mit dem strömenden Wasser fließen auch die Gedanken – und nehmen so manches mit. Außerdem, so sehe ich es, braucht es gar keine Fernreisen in Regenwälder, die haben wir auch hier.
Schließlich nehmen wir sogar noch einen kleinen Umweg in Kauf und laufen zur Alpen Breitengehren, eine für das Allgäu ungewöhnliche Alpe: Der denkmalgeschützte Bau aus dem 18. Jahrundert erinnert an Walser Sennhütten, in der Mitte die Stube, rechts und links der Stall.
Hier kaufen wir unseren Bergkäse und schließlich schaffen wir es gerade noch, in Birgsau den allerletzen Bus um 18 Uhr zurück zu Fellhornbahn zu bekommen. Der Bus ist sehr Willkommen, nicht weil wir nass sind, sondern weil der Weg im Tal entlang der Siedlung im Vergleich nach zwei Tagen auf den Bergen einfach langweilig ist. Ach ja, unsere Bergschuhe waren nach dieser Wanderung wirklich nass, sie brauchten am längsten zum Trocknen. Und wir waren froh, dass wir unsere nasse Kleidung zu Hause aufhängen konnten. Letztlich war´s nur ein Regentag, der wegen der fließenden Gedanken und im wahrsten Sinne des Wortes abgeschirmten Atmopshäre auch mal ganz gut tat.