Allgäuer Alpenblog

Bergsteigen im Friedberger Klettersteig

Klettersteig in den Allgäuer Alpen

Unverhofft kommt oft. Vor allem in diesem Herbst im Tannheimer Tal, Tirol. Selbst der November bietet Sonne satt –  und weckt den Tatendrang. So viel Sommer im Herbst will genützt sein. An einem dieser strahlenden Morgen rufe ich den Bergkameraden meines Vertrauens an und weihe ihn in ein Vorhaben ein, das mich schon seit Tagen bitzelt: Bergsteigen durch den Friedberger Klettersteig zum Schartschrofengipfel (1968 m) nahe der Roten Flüh (2018 m), der sonst um diese Jahreszeit nur selten begehbar ist!  Am anderen Ende der Leitung dauert es keine Sekunde und schon kommt von meinem Kumpel Flo die Antwort:  „Ja, klar. Bin dabei!“

Wenig später sitzen wir im Auto Richtung Nesselwängle im Tannheimer Tal, stärken uns mit Butterbrezen und fiebern dem Bergsteigen entgegen. Der Friedberger Klettersteig (mittlerer Schwierigkeitsgrad, Trittsicherheit und Klettersteigausrüstung erforderlich), ist um diese Jahreszeit normal kaum zu bewältigen. Doch heuer liegt vergleichsweise wenig Schnee da oben, erfahren wir von einer freundlichen Mitarbeiterin vom Tourismusverband Tannheimer Tal, die uns grünes Licht gibt. Am ausgeschilderten Parkplatz Gimpelhaus in Nesselwängle stellen wir den Wagen ab und werfen einen letzten prüfenden Blick auf unser Marschgepäck. Obwohl wir in T-Shirt und kurzer Hose in unseren Bergschuhen loslaufen, sind die Rucksäcke der Jahreszeit angemessen gefüllt. Wir verstauen darin:

Handy
Klettersteigausrüstung mit Helm
Karte
Mütze, Handschuhe, Wechsel-T-Shirt
Regenjacke, Jogginghose
1 Liter Wasser pro Person
5  Käse- und Salamisemmeln
2 Schokoriegel

Wanderroute mit Aufstieg übers Gimpelhaus

Unsere Tour ist mit gut 5,5 Stunden veranschlagt. Wir haben uns für einen Aufstieg übers Gimpelhaus zum Gipfel der Roten Flüh entschieden und danach weiter zum Friedberger Klettersteig, der nach der Stadt Friedberg (bei Augsburg) mit eigener Alpenvereinssektion benannt ist. Da wir unter der Woche starten, ist kaum ein Mensch unterwegs. Zu hören ist nur der Wind, der uns mal sanft, mal kräftig aufwärts schiebt. Teils liegt schon Schnee, in dem verschiedene Wildfährten sichtbar sind. Kurz vor dem Gipfel der Roten Flüh gibt’s quasi als Aufwärmprogramm zum späteren Klettersteig die ersten „Hangel-Übungen“: Felsstufen mit eingemeißelten Tritten und Drahtseilen helfen beim Aufstieg. Oben angekommen, genießen wir einen Blick auf den heute dunkelgrün schimmernden Haldensee. Dann geht es auch schon weiter. Die eigentliche Herausforderung folgt jetzt: Der Weg zum und über den Friedberger Klettersteig mit seinen ausgesetzten Passagen auf den Schartschrofen. „Nur für Geübte“, steht auf der Tafel vor dem eigentlichen Kernstück des Klettersteigs, der 70 Meter steil nach oben führt. „Dann mal rein ins Vergnügen“, meint Flo und lacht unter seinem grünen Helm hervor.

Wir klicken die Karabiner um die Drahtseile, um im Falle eines „Abrutschers“ gesichert zu sein, und schon geht’s hinauf. Dass der Wind ausgerechnet in diesem Moment immer lauter heult, kann kein Zufall sein. Ein Hauch von Huaba Buam liegt in der Luft. Die berühmten Kletterbrüder würden den Friedberger Klettersteig zwar wahrscheinlich mit verbundenen Augen erklimmen. Unsereins dagegen zieht und stemmt sich mit Vor- und Umsicht an den Drahtseilpassagen nach oben und hat obendrein bei kurzen Pausen einen Blick für die herrliche Kulisse von Gimpel und Roter Flüh. Genussklettern nennt man das wohl. Wir haben schließlich Zeit. Kein Mensch jagt uns, niemand kommt uns entgegen. Novemberlicher Luxus. Nur wir und der Berg. Klingt ein bisschen pathetisch. Aber das Pathos gehört zum Alpinsport seit jeher wie die Rote Flüh zum Tannheimer Tal.

Als wir das Gipfelkreuz des Schartschrofens erreichen, sind wir jedenfalls bester Laune.  Die Anstrengung hat sich gelohnt, „Abrutscher“ gab’s keinen. Statt dessen ein Abenteuer, das uns forderte, aber nicht überforderte. Kurzum: ein super Erlebnis. Die Zwei-Mann-Seilschaft hat sich Schokolade und ein Selfie verdient (was gar nicht so leicht ist: Die Hände zittern noch vom Aufstieg…). Euphorisiert vom Erlebnis im Klettersteig fällt der Abstieg über den Adlerhorst zum Ende unserer Rundtour zum Parkplatz Nesselwängle ganz leicht. Vor allem, wenn man wie der Autor dieser Zeilen, unter latenter Höhenangst leidet. Dann nämlich fühlt man sich großartig, wenn man an einem sonnigen Novembertag seinen inneren Schweinehund überwunden – und den Friedberger Klettersteig gemeistert hat.

Wer’s im November nicht mehr schafft: die Tour unbedingt fürs Frühjahr vormerken…

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