Alpen… äh, was bitte? Alpenwellness? Wir wollen wissen, ob es sich wirklich anders anfühlt, wenn man sich zwischen Almen anstrengt oder auf 1000 Metern Höhe entspannt. Wir? Eine Fotografin und ein Autor aus Hamburg, zwei Reisejournalisten, die ihrer Sammlung an Länderpunkten einen neuen hinzu fügen – das Allgäu. Station 8: Hoch oben auf einem Felssporn, 1280 Meter über Pfronten und dem Vilser Tal, thront das „Burghotel auf dem Falkenstein“ – eines der vielleicht aussichtsreichsten Hotels Deutschlands
Ein Hotelportrait von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Sollte ich jemals einen Menschen kennen lernen, der an einem Burnout leidet, werde ich die „Burghotel auf dem Falkenstein“-Flatrate empfehlen. Ich weiß zwar nicht, ob es überhaupt eine gibt. Aber das ist egal. Es geht um die Gesundheit, Kosten spielen keine Rolle. Und da der Burnout vor allem unter Führungskräften verbreitet ist, sollte es eh nicht am Geld scheitern. Also: Wer immer auf der Suche nach innerer Ruhe ist, der möge hinauf kommen. Mindestens für ein verlängertes Wochenende. Oder noch länger. Und wieder kommen, sobald man das Gefühl hat, die Wirkung lässt nach…
Uns hat es im wundervollen Spätherbst (der ja in diesem Jahr bis zum zweiten Weihnachtstag andauerte) hierher verschlagen. Für ein paar Tage der Ruhe. Schon lange waren wir neugierig auf dieses Hotel, das so berühmt ist für seine Alleinlage auf einem Felssporn oberhalb Pfrontens mit Blick auf das Tannheimer Tal, dass immer wieder Investoren mit Koffern voll Geld auf den gut 1200 Meter hohen Berg gefahren sein sollen – manche gar mit detaillierten Konzepten, wie es nach der Übernahme weiter gehe –, nur um freundlich aber bestimmt wieder nach unten geschickt zu werden. Herta Schlachter, die mit ihrem Mann Toni das Burghotel Falkenstein nicht nur führt, sondern auch Inhaberin ist, zeigt ihr schönstes Lachen, wenn es um die Avancen geht, die man ihr gemacht habe. Sogar aus „irgendwelchen Emiraten“ seien sie gekommen. Und wieder in die Wüste geschickt worden von unserer tapferen Gastgeberin, die ein grünes Dirndl trägt zum goldblonden Rapunzel-Haar, das sie niemandem herunter lassen wollte.
Das Märchenhafte eines Falkenstein-Aufenthalts beginnt schon mit der Anreise, wenn es über die einspurige Straße hinauf geht auf den Gipfel, den viele Fahrer luxuriöser Limousinen im Schweiße ihres Angesichts erreichen, denn die Straße ist schmal, die Kurven sind eng. Und doch, so hören wir, seien viele Autobesitzer so verliebt ins heilige Blech, dass sie vom Angebot, den Wagen eingeparkt zu bekommen, keinen Gebrauch machen. Wozu unnötig Stresshormone produzieren? Der Parkplatz ist eng und unübersichtlich. Wir lassen sofort los – der Schlüssel fällt in die Hände unserer Gastgeberin. Soll sich das Hotelteam doch mit dem Wagen rumschlagen.
Die gibt ihn weiter an einen ihrer Söhne und uns den Schlüssel zum Zimmer. Das Hotel ist ein wenig verwinkelt, Treppen, Türen, Bögen, Nischen, in manchen stehen Ritterrüstungen, große Kerzen, hohe Vasen. Schließlich unser Zimmer. Eingangsbereich und das große Duschbad liegen im oberen Teil, eine kurze Treppe führt in den Wohnraum mit Sitzecke, Whirlwanne, Himmelbett und großer Terrasse. Und kaum richtig drin in unserem Refugium, rennen wir schon wieder raus, stehen da, lassen den Blick schweifen über das Tal, den Nachbarberg, Weißensee und Füssen. Neuschwanstein – ein weißer Fleck an unserem Horizont. Wow.
Bayernkönig Ludwig hatte große Pläne für den Falkenstein, wollte hier ein Schloss errichten und begann mit den Erschließungsarbeiten, ließ eine Straße bauen, eine Wasserleitung wurde gelegt. Doch mit Ludwigs Tod wurde das Projekt eingestellt. Im vergangenen Jahrhundert stand das Gebäude neben der Ruine immer wieder leer. Und irgendwann wurde den Fleischers diese sehr besondere Immobilie angeboten. Weil sie so königstreue Allgäuer sind? Herta Fleischer lacht. Wir sitzen im Restaurant, das gleichermaßen aussichtsreich und ausgezeichnet ist, und lassen uns die Geschichte dieses Ortes erzählen. Nein, die Familie hat sich als zuverlässiger Partner profiliert, betreibt mit dem Berghotel Schlossangeralp bereits ein ähnliches Haus.
Inzwischen gibt es neue Ideen für das Hotel Falkenstein. 2016 soll umgebaut werden, eine Tiefgarage wird erstellt, ein Pool, sieben neue Suiten. Der Umbau hoch auf dem Berg inmitten einer sensiblen Natur wird sicherlich ein atemberaubendes Projekt. Das die Fleischers aber mit großer Gelassenheit angehen. Mehr als sieben Jahre haben sie für ihre Vision gekämpft, einige hunderttausend Euro nur in die Planung investiert und in Gutachten, die belegen, dass der Neubau vertretbar sei. Wenn man da nicht ein dickes Fell entwickelt, wann dann?
So heißt ein Aufenthalt auf dem Falkenstein auch Abschied nehmen vom Hotel wie man es kennt. Wir sitzen noch einmal zum Abendessen im Restaurant, Toni Schlachter lässt Carpaccio vom Tafelspitz servieren und Conchiglie mit Steinpilzen, Kürbis und Traubenkernöl, geschmorte Kalbsbäckchen und zum Dessert einen halbflüssigen Haselnusskuchen. Dazu gibt es einen Blackprint von Markus Schneider. Eine grandiose Tour durch die Falkenstein-Küche, die zu denen gehört, die den Beweis antreten, dass das Allgäu mehr kann als deftig und üppig. Sondern auch fein und vielfältig, aromatisch und mit großem Heimatbezug.
Ein Ort zum Entschleunigen. Man kommt rauf, um die ganze Aufgeregtheit einer arbeitsreichen Zeit hinter sich zu lassen. Und dafür tun die Anwendungen im „Burgtempel“ genannten Wellnessbereich ihr übriges, etwa die Heustempelmassage. Man könnte sie als die Allgäuer Variante der Hot-Stone-Massage bezeichnen – mit Heu und Kräutern gefüllte Leinensäckchen werden über Dampf erhitzt und mit sanftem Druck auf den Rücken getupft. Auch dafür müsste es eine Falkenstein-Flatrate geben…
Berggeister. Ein perfekter Rückzugsort für Paare – das Burg-Hotel auf dem Falkenstein.
Reisehelfer. Tipps für Touren in die Umgebung – vom Haus des Gastes in Pfronten.
Spurensuche. Für Wanderungen in die Geschichte – der König-Ludwig-Weg.