„Unser spontanes Tun ist immer das Beste!“ – Ralph Waldo Emerson, US-amerikanischer Geistlicher, Lehrer, Philosoph und Essayist. (1803 – 1882)
Getreu dieses Mottos beschlossen wir Sonntagmittag spontan eine kleine Berg-Wanderung zu unternehmen. Kurze Strecke, leichter Aufstieg, aber maximale Aussicht, so unser Ziel. Ein Bekannter hatte uns die Hirsch-Alpe eine Alm auf dem Spieser empfohlen. Schnell war klar: Die Hirsch-Alpe sollte unser Ziel sein. Als ich Sonntagmittag in Marktoberdorf bei grau verhangenem Himmel losfuhr, konnte ich das schöne Wetter, das mir meine Freundin hoch und heilig versprochen hatte, nur vage erahnen. In den Nebelschwaden bei Kraftisried verlor ich jegliche Hoffnung auf Sonne. Es zeigte sich jedoch, dass sie Recht haben sollte. Kurz vor Kempten wechselte das Wetter schlagartig auf strahlenden Sonnenschein und somit zu perfektem Wanderwetter. Unser Weg führte uns nach Oberjoch. Nach kurzer unbeabsichtigter „Sightseeing-Tour“, bei der wir am Skigebiet Oberjoch und dem Panoramahotel Oberjoch vorbeikamen, erreichten wir den großen Parkplatz bei der Touristinformation im Dorfzentrum. Wir studierten unsere Wegbeschreibung und fanden nach anfänglichen Orientierungsproblemen dennoch den Wegweiser zur Hirsch-Alpe, der uns von ihr versprochen wurde.
Aller Anfang ist schwer
Vorbei an der Heilig Geist Kirche und dem Krankenhaus Santa Maria, zogen wir voller Eifer los. Kurze Zeit später wanderten wir bereits durch den tiefsten Wald. Laut unserer Wegbeschreibung sollten wir den Fahrweg nicht in Richtung Hirsch-Alpe, sondern in Richtung Ornach gehen. An dessen Ende sollten wir rechts abbiegen, auf einen Waldwanderweg. Wir folgten dem Fahrweg, der gleich zu Beginn stark anstieg. Er führte uns durch ein Meer an buntem Herbstlaub, das bereits von den Bäumen gefallen war. Wer hätte gedacht, dass es am Tag vor dem ersten Advent noch so schönes Herbstwetter geben würde? Die starke Steigung ließ uns beide schon bald schwer nach Luft schnappen. Der Weg führte in steilen Serpentinen nach oben und wir waren schon sehr bald außer Atem, sodass wir mehrere kleine Pausen einlegen mussten. Um nicht zugeben zu müssen, dass es um Zustand unserer Kondition derart schlecht bestellt war, nutzten wir die Pausen, um die atemberaubende Landschaft um uns herum zu genießen. Mehrmals fragten wir uns auch, warum die Wanderer, die uns entgegen kamen, einen derart entspannten Eindruck machten. Wir nahmen all unsere Kräfte zusammen und kämpften uns tapfer Schritt für Schritt weiter den Berg hinauf.
Auf der Suche nach dem Gipfelkreuz
Wie unsere Wegbeschreibung beschrieben hatte, bogen wir am Ende des befestigten Fahrweges auf einen schmalen Waldweg ab. Wir kraxelten über Wurzeln und Steine und kamen dennoch erstaunlich gut voran. Der Weg führte uns heraus aus dem dichten Wald und wir gewannen stetig an Höhe. An einer kleinen Hütte, benötigten wir dringend eine kurze Verschnaufpause und zogen noch einmal unsere Wegbeschreibung zu Rate. Laut Beschreibung sollten wir bald an ein Kreuz kommen, das sich gut für eine erste Pause eignen würde. Moment! Erste Pause?!? Wir beide sahen uns peinlich berührt an. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Ein Kreuz war weit und breit nicht zu sehen und unsere erste Pause mussten wir doch bereits nach den ersten 200 Metern Weg einlegen. Ratlos sahen wir uns um. Waren wir womöglich falsch gegangen? Dennoch entschlossen wir uns, dem Weg nach oben weiter zu folgen.
Je höher wir kamen, desto besser war die Aussicht. Das Wetter war herrlich und wir blieben jetzt immer häufiger stehen. Allerdings verschlug es uns den Atem diesmal vorwiegend aufgrund des atemberaubenden Panoramas und nicht aufgrund unserer mangelnden Kondition. In weiter Ferne kam auch endlich das von der Wegbeschreibung versprochene Kreuz in Sicht. Da die Sonne Ende November bereits am frühen Nachmittag untergeht und wir nicht erst im Dunkeln den steilen Weg bergab antreten wollten, beschlossen wir unseren Weg zunächst einmal nur bis zum Kreuz fortzusetzen. Dort wollten wir dann besprechen, wie weit wir noch gehen wollen. Wir stapften also weiter über Wurzeln und Steine und erreichten auch bald darauf das Kreuz.
Der halbe Weg ist geschafft
Das Kreuz liegt auf einem kleinen Plateau, von dem aus es nicht mehr weit bis zum Gipfel ist. Dort angekommen, packten wir jedoch erst einmal gemütlich unsere mitgebrachte – und nun wohlverdiente – Brotzeit aus. Wir genossen ausgiebig den Panoramablick über die umliegenden Berge und Gemeinden und ließen uns von der Sonne wärmen. Dort oben lag sogar noch etwas Schnee. Mit diesem veranstalteten wir sogleich unsere erste Schneeballschlacht in diesem Winter und bauten sogar einen kleinen Schneemann. Eigentlich wollten wir gar nicht mehr weg von diesem himmlischen Platz, doch der Reiz, den die Nähe zum Gipfel auf uns ausübte, motivierte uns zum Weitergehen. Unserer Wegbeschreibung zufolge, sollten wir, um zur Hirsch-Alpe zu gelangen, zunächst noch einen kleinen Aufstieg hinter uns bringen, um dann in ein kleines Tal abzusteigen. Aus diesem Grund machten wir uns, mit neuem Elan und frisch gestärkt, auf den Weg in Richtung Ornach-Gipfel. Die Hügel bis zum Gipfel waren grasbewachsen, was uns den Aufstieg wesentlich erleichterte.
Ein wirklich atemberaubendes Panorama!
Auf einmal standen wir ganz oben – was für ein Gefühl! 360 Grad pures Alpen-Panorama erstreckten sich um uns herum. Wir hatten den Berg erfolgreich bezwungen. Sämtliche Strapazen des Aufstiegs waren schlagartig vergessen und andächtige Stille trat ein. Schweigend genossen wir den Blick auf die Alpen, die sich uns majestätisch entgegenstreckten und den Blick auf die nun winzigen Häuser der Gemeinden Oberjoch und Bad Hindelang, zu unseren Füßen freigaben.
Nach einer Weile beschlossen wir jedoch wieder den Abstieg zurück zum Plateau anzutreten. Dort entdeckten wir dann auch durch Zufall den Wegweiser zur Hirsch-Alpe, die wir vom Gipfel aus bereits erspäht hatten. Wir näherten uns der Stelle, wo der Abstieg ins Tal begann und spähten nach unten. Der Weg verlief serpentinenartig bergab und war steil, eng und schlammig. Laut Wegweiser wären es von dort aus noch 40 Minuten Fußmarsch bis zur Hirsch-Alpe.
Der Abstieg ins Tal
Wir beratschlagten kurz unser weiteres Vorgehen und beschlossen, aufgrund der einsetzenden Dämmerung und Kälte, unsere Wanderung an dieser Stelle zu beenden und den Rückweg ins Tal anzutreten. Im Vergleich zum Aufstieg verlief dieser auch wesentlich entspannter und schneller, sodass wir pünktlich bei Anbruch der Dunkelheit wieder unten im Tal ankamen. Und obwohl wir nicht ganz bis zur Hirsch-Alpe gegangen waren, war das Erlebnis auf dem Gipfel des Ornach so spektakulär, dass wir uns schließlich müde, aber glücklich und zufrieden, auf den Heimweg machten. Und wer weiß, vielleicht schaffen wir ja eines Tages noch einmal den Weg ganz bis zur Hirsch-Alpe.