25.

Feb

Skigebiet Grasgehren: Spaß im Schnee und die Lust an der Landschaft

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Voller Tatendrang am Hang: Dirk, Benita, Judith und Johannes

Ganz großes Kino. Wenn Norddeutsche auf Ski stehen, sieht das meist anders aus als wenn jemand aus den Bergen sich in die Bindung einrastet. Noch schlimmer, wenn eine norddeutsche Patchworkfamilie einen Ski-Kurs bucht: eine sehr aufrechte Fotografin und ein ziemlich gebeugter Autor, ein vorsichtiger Teenager und ein abenteuerlustiges Kind. Dazu ein Skilehrer, der einst gut genug gewesen wäre für das Olympia-Team des DSV – und der jetzt mal eben kurz rückwärts vor den Vieren herfährt, um ihre kleinen Fortschritte auf der Abfahrt zu filmen. Vom Spaß im Schnee und der Lust an der Landschaft im Skigebiet Grasgehren.
Erlebnisbericht von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)

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Skilehrer Johannes präpariert die Bindungen und erklärt die Nutzung der Skistöcke

Auf geht’s zum Skigebiet Grasgehren. Vorsichtig kurven wir den Mietwagen den Riedbergpass hinauf. Hinter uns reihen sich die Einheimischen in ihren Autos auf. Man kann den Fahrern durch den Rückspiegel ansehen, dass sie ein wenig genervt sind. Zwar fahren wir mit 60 Km/h sogar schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit für diese Passstraße. Aber uns ist klar, dass hier die Einheimischen eher mit 80 oder 90 Sachen hoch pesen. Wir hingegen, Norddeutsche eben, lassen uns einschüchtern von den hohen Schneewänden um uns herum – von einer Straße wie ein Bob-Kanal.

Über Nacht hat sich die Landschaft verwandelt. Schon bei unserer Ankunft lag viel Schnee im Allgäu. Doch am Morgen müssen wir das Auto regelrecht ausgraben. Die Sonne scheint, die Winterwelt sieht freundlich aus und weich. Mit viel Mut, vielleicht sogar einer Spur Übermut, machen wir uns auf den Weg nach Grasgehren. Und werden erst im Auto ein wenig hasenfüßig als es über rutschige Straßen geht. Und dann als wir in der Ski-Schule stehen, um die Schuhe anzupassen. Laut klackend schließen sich die Schnallen, unsere Füße eingefasst in glänzendes Hartplastik, unsere Schritte so elegant wie die eines Roboters.

Grasgehren ist ein perfektes Ski-Gebiet für Einsteiger, Familien und Landschaftsliebhaber. Kein Remmidemmi mit lauter schlechter Partymusik, keine harten Drinks mit seltsamen Namen, keine Riesen-Skischaukel-Maschine. Modern, aber ruhig, landschaftsorientiert. Euphorische Blicke über tiefverschneite Berge. Hach.

„Lehnt euch nach vorn. Noch weiter“, sagt Ski-Lehrer Johannes. Er hat uns die Bindungen eingestellt, und jetzt stehen wir auf den kurzen Brettern und kippen nicht um, obwohl wir uns voll reinhängen. „Seht ihr. Das wollte ich euch zeigen, ihr könnt dem Material vertrauen…“

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Na, geht doch. Die drei sehen aus wie echte Ski-Fahrer – Dirk, Judith und Benita

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Vom Vorteil kurzer Ski: Sobald die sortiert sind, geht es die blaue Piste runter

Am „Idiotenhügel“ fühlen wir uns wie selbige. Ski, Stöcke, Beine und Arme koordinieren ohne zu viel nachdenken, los fahren. Vieles geht wie von allein, anderes nicht. Die Kurven sind Schlangenlinien, links und rechts und Innen-und Außenski. Wie war das nochmal? Mist, nachgedacht. Hingelegt. Susanne fährt wie ein Brett, Dirk wie ein Orang-Utan, Judith mit voller Konzentration und Benita mit genau jener bewundernswerten Leichtigkeit, die eigentlich alle an den Tag legen sollen. Aber es hat uns gepackt, immer wieder lassen wir uns den Hügel hinauf schleppen, eiern nach unten, freuen uns über gelungene Schwünge und lassen uns von Johannes aus dem Schnee helfen, wenn die Kurve doch besser aussah als sie war.

Schnell erkennen wir, dass die Lust am Ski-Fahren auch mit dem Lehrer zusammen hängt. Johannes hat eine smarte Art. Motiviert. Baut auf. Fordert. Macht Scherze. Hilft einem, das alles nicht zu ernst zu nehmen. Und ist doch immer konzentriert bei der Sache. Es macht einfach Spaß. Bis er sagt: „Und jetzt fahren wir hinauf.“ Er zeigt nach oben. Unsere Blicke folgen seinem Stock. Und gehen von oben wieder zurück nach unten. Bis wir erkennen, man kommt da ja nur mit Schlepplift hin.

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Ski-Fahren kann elegant aussehen. Johannes posiert, für ihn sind diese Pisten eine Gaudi

„Kein Problem“, sagt Johannes. Und das ist so wundervoll geflunkert, dass wir es ihm sogar glauben. Wir lassen uns mit Benita’scher Unerschrockenheit hoch ziehen, steigen aus dem Lift ohne übereinander zu purzeln (das passiert blöderweise später), und stehen schließlich ganz oben. Mit suchendem Blick. Wie, um Himmels Willen, kommen wir hier wieder runter? Johannes zeigt auf die Piste. „Da geht’s lang.“

Was dann passiert, ist das Wunder von Grasgehren: Wir fahren einfach mit unserem Ski-Lehrer den Hang runter. Und es macht Spaß. Riesig viel Spaß. Bis vielleicht auf den letzten Hang. Benita, Judith und Dirk, größenwahnsinnig geworden vor lauter Glücksgefühlen, sausen die letzten Meter im Schuss hinab. Die mutige Fahrt, durchzogen von Momenten, in denen ein ganzes Leben an den Ski-Desperados vorbeizog – und die Länge dieser Szenen hing unmittelbar mit dem Alter des einzelnen zusammen – endete in drei Schneewehen: In einer kleinen mit viel Lachen. In einer größeren, mit befreitem Gekicher. In einer ganz großen, in der die schlimmsten Bilder sämtlicher TV-Dokus über Ski-Unfälle aufschienen und sich nach einem sorgfältigen Systemcheck ein Gefühl von „Da-biste-aber-nochmal-davon-gekommen“ breit machte. Zum Glück hatte es wie wild geschneit in der Nacht. Weich und wolkig der Schnee wie Watte.

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Kannst du mal ein Foto von uns machen? Kein Problem. Bitte alle lächeln…

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Und für ein Selfie-Battle braucht Judith einen Film. Johannes filmt rückwärts fahrend

Ohne Fehler kein Lernen, ohne Wiederholung keine Verbesserung. Und so lassen wir uns wieder und wieder mit dem Schlepplift hochziehen. Und pflügen wieder und wieder die kleine blaue Piste hinab, die für Ski-Pros wahrscheinlich nicht mehr ist als ein angeberischer Idiotenhügel. Doch wir kriegen langsam die Sinne frei – für die Schönheit der Landschaft, für den Sound der Ski im Schnee, für Susannes gute Technik, für Benitas Fröhlichkeit und für Judiths Kampfgeist, die eine Selfie-Battle mit ihrem Freund Jakob hat und nun Johannes bittet, Filmaufnahmen von ihr zu machen. Er fährt um uns herum, mal neben uns, mal vor uns, indem er rückwärts und ohne Stöcke, elegant über den Hang tanzt.

Tja, so ist das, wenn man von hier kommt, wo man – eines unserer Lieblings-Bonmots – „mit Ski an den Füßen geboren wird“. Zum Glück hatte uns unser Skilehrer schon am Anfang gesagt, dass er beinahe zum deutschen Ski-Team gehörte. Da hadert man dann gar nicht mehr so sehr an den eklatanten Performance-Unterschieden. Da sieht man vor allem die Schönheit und Eleganz dieses Sports und nimmt sich fest vor, wieder zu kommen. Ins Skigebiet Grasgehren. Ein perfekter Playground für Familien und Genießer.

 

Hier geht es übrigens zum Film, den Johannes von uns gemacht hat. Danke dafür. Es war toll mit dir.

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Am Ende brausen wir die blaue Piste hinab, mit Euphorie. Wir kommen wieder!

  1. Sehr schön beschrieben! Aber Dirk, so schlimm kann das in den Schnee Fallen doch gar nicht sein ;)
    Witzig auch der Vergleich mit einem Roboter. Denn wer mal Humanoide gesehen hat, weiß wie sie sich bewegen. Muss Pascal und Team mal programmieren anstelle die Roboter Fußball spielen zu lassen. Wäre eine neue WM-RoboCup-Disziplin.

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