Der erste Sonntag der Fastenzeit ist im Allgäu ein ganz besonderer Tag. Dann, wenn es Abend wird, freuen sich Erwachsene und Kinder gleichermaßen auf die Entzündung des Funkenfeuers oder auch schlicht „Funken“ genannt. Wie alt dieser Brauch ganz genau ist, weiß heute keiner mehr so richtig. Eines ist aber gewiss. Seine Wurzeln hat das Funkenfeuer, wie viele andere alte Bräuche im Allgäu auch, in vorchristlicher Zeit. Interessanterweise gibt es die Funkenfeuer vor allem im West-, Ober- und Unterallgäu. Im Ostallgäu hingegen lodern nur eine knappe Handvoll Feuer – unter anderem auch in Stötten am Auerberg. Für mich ist dies aber ein ganz besonderer Ort, ja eigentlich prädestiniert für solch ein Feuer. Denn bereits vor 2000 Jahren siedelten Römer und vielleicht auch Kelten am Auerberg. Und das Feuer scheint wie ein Überbleibsel aus dieser Zeit zu sein….
Seit den 80er Jahren wird der Funken am Nachmittag des Funkensonntags auf der Nassleite oberhalb von Stötten aufgebaut. Dass der Brauch im Dorf wiederbelebt wurde, dafür sorgten Josef Hengge und Walter Sirch. „In meiner Kindheit hatte Stötten sogar drei Funken“, erzählt Sirch. „Damals half die ganze Dorfjugend beim Aufbau mit. Und dort wo schon Ältere dabei waren, wurde er besonders hoch.“ Dass heute nur getrocknetes Holz und die alten Christbäume von Weihnachten verbrannt werden, ist selbstverständlich. Josef Hengge erinnert sich aber an eine Zeit, als man noch Traktorreifen und allerlei unnützen Kram entzündete, quasi den Funken zur Müllverbrennung nutzte. „Das geht absolut nicht mehr und wäre heute ja allein schon aus Umweltschutzgründen undenkbar.“
Der Funken samt Funkenfigur auf der Nassleite oberhalb des Dorfes
Woher und aus welcher Zeit der Brauch genau stammt, weiß heute niemand mehr so wirklich. Schaut man sich aber Überlieferungen und den Termin des Brauchs an, so zeigt sich ein enger Zusammenhang mit dem Ende der Schwäbisch-alemannischen Fastnacht und damit dem christlichen Jahreslauf. Wahrscheinlich ist es ein Überbleibsel des früheren Beginns der Fastenzeit. Die Wurzeln des Funkenfeuers liegen aber sicherlich irgendwo in vorchristlicher Zeit, denn auch ähnliche Feuer in Oberitalien gehen laut Volkskundler auf den römischen Jahresanfang am 1. März zurück. An diesem Tag wurde nämlich im alten Rom im Tempel der Vesta das heilige Feuer entzündet. Vielleicht haben unsere Vorfahren diesen Brauch von den Römern übernommen um damit das Ende des Winters und das Kommen des Frühlings zu feiern. Denn mit dem Frühling kehrte das Leben in die Natur zurück und es begann auch für sie ein neues Jahr.
Der Funken ist entzündet
Kurz nach 19 Uhr kracht es mehrmals gewaltig. Viele Zuschauer zucken kurz zusammen. Die Böllerschützen feuern mehrmals in den schwarzen Nachthimmel ehe die Männer am Reisig mit ihren Fackeln den Funken entzünden. Mit einem Marsch der Musikkapelle wird das Feuer entfacht. Erst langsam, dann immer schneller frisst es sich die über 7 Meter nach oben. Dort, an der Spitze, schwebt die Funkenfigur – eine aus Stroh und Heu gebastelte Puppe auf einem Besen sitzend und einer Krähe auf dem Arm. Sie soll den Winter symbolisieren. Die trockenen Fichtennadeln der Christbäum brennen wie Zunder. Und schon nach wenigen Minuten ist der Höhenpunkt erreicht: die Strohfigur beginnt zu brennen.
Höhepunkt des Feuers – die „Funkenfigur“ brennt
Wenn der Funken nicht richtig brennt oder die Strohfigur nicht richtig verbrennt, wurde das früher als schlechtes Omen gewertet. Auch heute noch glaubt der ein oder andere daran, je schneller die Figur brennt, desto rascher kommt auch der Frühling. Mittlerweile haben sich viele Menschen aus dem Dorf um den Funken versammelt. Hell leuchtete das Feuer in den Nachthimmel und kann noch aus weiter Entfernung gesehen werden. Das Feuer spendet Wärme an diesem kalten Winterabend. Aber was wäre ein Funken im Allgäu ohne die kulinarische Köstlichkeit dazu – die sogenannten Funkenküchle, im Dialekt „Funkakiachla“ genannt. Dabei handelt es sich um ein im Fett herausgebackenes und mit Puderzucker bestreutes Schmalzgebäck, das es nur am Funkensonntag gibt. Ich erinnere mich noch selber gut daran, wie meine Mutter am Funkensonntag in der Küche stand und den Teig für die Küchle langsam auseinander zog, bevor sie sie ins Fett legte. Nachdem sie im schwimmenden Fett goldbraun gebacken wurden, bildete sich außen ein gewölbter, dicker Rand und innen ein helles, rundes und hauchdünnes Feld. Der Innenteil des Funkenküchle sieht aus wie ein Fenster, weswegen das Gebäck mancherorts im Dialekt auch „Fensterkiachla“ oder „Auszogene“ genannt wird. Am besten schmecken sie noch warm und mit viel Puderzucker bestreut.
Funkakiachla, Fensterkiachla oder Auszogene – ein kulinarisches MUSS am Funkensonntag
Nach einiger Zeit geben die brennenden Balken des Funken nach und fallen mit einem großen Funkenflug in sich zusammen. Man steht dann noch lange am Feuer, erzählt sich Neuigkeiten oder tauscht sich aus. Und in Gedanken hofft man schon auf den kommenden Frühling – das Ende des Winters, am Funkensonntag im Allgäu.
Von oben nach unten fällt der Funken in sich zusammen – das Zeichen für einen sorgfältigen Bau
Rezept für Funkenküchle
1/8 l Milch,
500 g Mehl,
40 g Hefe,
80 g Zucker,
70 g Butter,
2 Eier,
1 Prise Salz und ein wenig Puderzucker zum Bestreuen der fertigen Küchle.
Die Hefe in ein wenig lauwarmer Milch gehen lassen, anschließend mitten in das mit dem Zucker vermischte Mehl geben und den Teig ca. 30 Min. ruhen lassen; dann kommen Butter, Eier und die übriggebliebene Milch sowie die Prise Salz hinzu. Man verknetet alles gut miteinander bis der Teig Blasen wirft. Nun lässt man ihn nochmals eine Stunde ruhen und schneidet dann große, ovale Stücke ab. Diese setzt man auf ein mit Mehl bestreutes Brett und lässt sie nochmals eine halbe Stunde gehen. Anschließend zieht man den Teig unter ständigem Drehen von der Mitte her nach außen, so dass sich außen ein gewölbter, dicker Rand bildet, das runde Innenfeld („Fenster“) aber hauchdünn bleibt. Die Küchle müssen sofort im schwimmenden Fett herausgebacken und noch heiß mit dem Puderzucker bestreut werden.