Allgäuer Alpenblog

Winterwandern im Allgäu – und der Bartgeier kreist drüber

Gebietsbetreuer Henning Werth

Endlich ist er da, der Schnee! Skitourengeher mussten in diesem Winter lange auf den heiß ersehnten Pulverschnee warten, denn nur ausreichende Schneehöhen verheißen ungetrübte Skitouren. Doch am Wochenende fiel gleich so viel Schnee, dass in den Allgäuer Alpen akute Lawinengefahr bestand, was  wiederum die Auswahl der Skitouren einschränkte. Es gibt aber Spezies in den Alpen, die suchen geradezu nach Lawinenabgängen und profitieren von diesen, wie beispeilsweise der Steinadler, der im Winter auch mal auf Aas zurückgreifen muss. Das erklärt uns Henning Werth, Biologe und Gebietsbetreuer der Allgäuer Hochalpen, mit dem wir zur Winterwanderung unterwegs sind. Getreu dem Motto „Dein Freiraum. Mein Lebensraum“, eine Initiative mehrerer Allgäuer Naturschutzverbänden, respektieren wir den Lebensraum der Wildtiere, die gerade im Winter Schutz brauchen. Auf geräumten Wegen geht man kein Risiko ein, weder in Bezug auf Lawinen oder Schneebrettern noch auf Störung von Wildtieren. Eine besonders schöne Wanderung führt ab Bad Hindelang / Hinterstein ins Naturschutzgebiet der Allgäuer Hochalpen. Mit dem Bus fahren wir ab Hinterstein / Bad Hindelang zum Giebelhaus. Dieser kleine Linienverkehr ist übrigens Teil des Besucherlenkungskonzepts, denn über Zeitfestlegungen haben Tiere gerade in den Morgen- und frühen Abendstunden Ruhe. Henning Werth zeigt uns mit dem Fernrohr am Giebelhaus bzw. der Adlerhütte, eine Vogelbeobachtungsstation des Landesbund für Vogelschutz, seine Adler: Das Paar ist besonders fruchtbar und zieht regelmäßig Jungtiere auf. Das deutet wiederum darauf hin, dass die Lebensbedingungen hier im Naturschutzgebiet die passenden sind.

Winterwandern im Naturschuzgebiet Allgäuer Hochalpen, Giebelhaus

Wir erfahren noch mehr: Der Adler ist kein sozialer Vogel, er vertreibt die Jungtiere um ausreichend Nahrung für sich zu haben. „Kein Wunder dass die Bundesrepublik den Adler zum Wappen hat“, meint ein Teilnehmer. Werth klärt uns auf, dass der Bundesadler kein Steinadler sei, auch kein Seeadler sondern wohl eher ein preußischer Schreiadler. Wieder etwas dazugelernt.

Vogelbeobachtungsstation Adlerhütte, Landesbund für Vogelschutz

Henning Werth kennt seine Tiere und deren Gepflogenheiten, lässt uns teilhaben an dieser schützenswerten Natur. Mit dem Fernglas sucht Werth vom Schnee freigeblasene Kämme entlang der Gipfel ab und stellt für uns das Fernrohr ein: Wir sehen Gämsen, die nun an das freiliegende Gras kommen, hier also Futter finden und erfahren, dass Steinadler Lawinen zum Überleben benötigen. Lawinen reißen immer wieder mal Gämsen mit sich, damit erschließt sich den Adlern eine Futterquelle.

Schwarzenberghütte im sogenannten Paradies, ganzjährig bewirtschaftet

Unser Ziel ist die Schwarzenberghütte, eine ganzjährig bewirtschaftete DAV-Hütte auf 1.380 m Höhe im sogenannten Paradies gelegen. Der Forstweg ist gewalzt und über den Schnee wandern wir bei Sonnenschein hinauf. Die Stille und Ruhe der verschneiten Bergwelt umfängt uns, lässt uns aufatmen und erahnen, welche Kraft und Energie Tiere zum Überleben benötigen. Wir respektieren die Grenzen, akzeptieren deren Lebensraum. Als wir den Wald verlassen, öffnet sich das Obertal mit grandiosem Blick in die Allgäuer Hochalpen. Uralte Bergahorne ragen aus dem Schnee. Schließlich ist die Schwarzenberghütte in Sicht als sich die ersten unserer Gruppe schon auf das Weißbier und Kaiserschmarrn freuen.

Gebietsbetreuer Henning Werth

Andere bleiben beim Biologen Henning Werth stehen und beobachten mit ihm die Kämme und Gipfel – als Henning ganz ruhig wird. Er gibt das Fernrohr nicht mehr aus der Hand, setzt die Digitalkamera mit einem schnell Griff auf, ist hochkonzentriert. Und plötzlich: „Der Bartgeier – seit 1997 habe ich ihn nicht mehr gesehen!“ 15 Kolkraben im Luftraum haben Werth auf einen Kadaver hingewiesen. Und nach Kadavern sucht der Geier.  „Da in den Allgäuer Alpen erhebliche Lawinengefahr besteht, sucht der Vogel jetzt gezielt Lawinenfelder ab, um als Kadaverfresser mögliche Beute zu finden“, erklärt Werth.

Henning Werth auf der Suche nach Greifvögeln

Wir sind ganz aufgeregt und auch ein wenig Stolz an diesem einmaligen Erlebnis teilgenommen zu haben: Der Bartgeier ist in Europa extrem selten und gehört zu den größten flugfähigen Vögen der Welt! Werth erzählt uns, dass der Vogel eine Spannweite von drei Metern hat, dass es nur noch 200 Bartgeier alpenweit gibt und man seit 30 Jahren versuche, sie nach deren Ausrottung wieder anzusiedeln. Allerdings sei dies schwierig, weil die Tiere erst nach sechs Jahren geschlechtsreif sind und in freier Wildbahn nur einen Jungvogel großziehen.

Der Bartgeier im Obertal / Bad Hindelang, fotografiert von Henning Werth

Bartgeier kreist über Lawinenfeld, fotografiert von Henning Werth.

Für uns als Winterwanderer ist dies ein unvergessliches Erlebnis. Schließlich verschwindet der Barteier aus dem Sichtfeld, fliegt in andere Täler auf der Suche nach Nahrung. Wir wandern noch die letzten Meter zur Schwarzenberghütte hinauf. Bei Knödelsuppe und Kaiserschmarrn dreht sich das Gespräch um Bartgeier, Adler, Gämsen, um das artenreichste Gebirge Deutschlands, um das Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen.

Schließlich nehmen wir uns Rodel und nutzen den Forstweg als Rodelstrecke hinab ins Tal zum Giebelhaus, von wo aus der Bus uns die zehn Kilometer bis nach Hinterstein fährt. Mancher aus der unserer Gruppe sitzt seit der Kindheit zum ersten Mal wieder auf einem Holzrodel, aber die Freude an diesem einfachen Wintervergnügen ist jedem anzusehen.

Der Forstweg wird zur Rodelbahn:  Von der Schwarzenberghütte zum Giebelhaus.

 

Giebelhaus-Katze überprüft die Schlittenabgabe.

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