Es ist eine kleine, unscheinbare Abzweigung von der Straße in Richtung Nesselwängle, die ins Paradies führt. Wer sie nicht sucht, fährt an einem der wohl schönsten Fleckchen vorbei, die das Tannheimer Tal (Tirol) zu bieten hat: dem Berggut Gaicht. „Viele Einheimische kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus“, erzählt Martina Moll. Die Betriebsleiterin des Pferdehofs steht inmitten der Idylle und blickt einer Gruppe Ausreitern entgegen, die dem Hof langsam näher kommen. Dahinter taucht die untergehende Sonne die Gipfel des Hahnenkamms, der Roten Flüh und des Gimpels in rotes Licht. Ein Panorama wie aus dem Bilderbuch.
Reiten, Leben, Wohlfühlen – nach diesem Motto von Geschäftsführer Henrik Wentzler führt Martina Moll das Gestüt. „Hier können Kinder das Leben mit der Natur und den Pferden erleben“, sagt Martina Moll. Zusammen mit über 60 Pferden – Haflinger, Shettys, Mini-Shettys, Isländer, Araber und Warmblüter – verbringen sie den Tag und bleiben mit ihren Eltern oft auch über Nacht im Paradies am Rande der Alpen. Neben einem Ferienhaus können Urlauber auch eine der vier Ferienwohnungen mieten.
Reitunterricht erteilen drei Reitlehrerinnen unter Martina Moll für Kinder ab dem sechsten Lebensjahr. Wer schon etwas sicherer im Sattel ist, kann bei einem der vielen Ausritte die Natur erleben. Highlights sind für viele Besucher die Halb- und Ganztagesausritte zum Haldensee, der Krinnenalp oder zum Adlerhorst. „Wir freuen uns aber natürlich auch über jeden Erwachsenen, der kommt“, sagt Martina Moll mit einem Lächeln. Um das besondere Gefühl beim Leben mit den Tieren und dem Reiten auch Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, plant das Team derzeit das integrative Angebot auszuweiten.
Auch Turnierreiter sind am Berggut Gaicht gut aufgehoben. Springer und Dressurreiter bis zur Klasse L gehen hier aus und ein. Neben dem Unterricht bietet Martina Moll mit ihrer Crew auch Urlaubspension für Pferde, das Vorstellen auf Turnieren, das Erstellen von Trainigsplänen, Weiterbildungen sowie Jungpferdeberitt und Korrekturen an.
Zwar sitzt die Betriebsleiterin während der Hochsaison im Sommer selbst kaum im Sattel. Dennoch erlebt sie viele glückliche Momente. Zum Beispiel, wenn sie miterlebt, wie schnell sich die Jungen im Sattel wohlfühlen und verbessern. „Wenn die Kinder nach ihrem ersten Ausritt stolz wieder auf den Hof geritten kommen, rührt mich das immer“, erzählt sie und schweift mit ihrem Blick übers Tal. Dann fügt sie nachdenklich hinzu: „Oder die Stille am Morgen – wenn nur das Prusten der Pferde in der Morgendämmerung die Stille durchbricht…“ Würde sie nicht auf dem Berggut Gaicht arbeiten, wäre sie wohl selbst ihr erster Kunde.
Der Schulbetrieb auf dem Hof ist derweil zu Ende gegangen. Nun ist es Zeit für ein besonderes Schauspiel: das Treiben der Isländer. In den Sommermonaten verbringen sie die Nacht auf der Koppel. Tagsüber sind sie bei Reitstunden eingespannt, oder stehen in einem Offenstall. Nachdem Martina Moll mit ihren Kolleginnen die Einfahrten abgehängt hat, geht es los. Die Mädels öffnen das große Gatter des Offenstalls. Die Isländer traben im Herdenverband über den Hof. Das Abendlicht schimmert ein letztes Mal auf, als die Vierbeiner die nahegelegene Bergwiese erreichen und sich genüsslich in der Wiese wälzen.
Wer hätte gedacht, was für ein Paradies sich hinter dieser kleinen Abzweigung versteckt….