So erlebt vor kurzem in Isny, Wangen und Lindenberg
Normalerweise können sie einem so richtig den Radl-Spaß verderben … Regentage. Wer schon mal den ganzen Tag im Regen gestrampelt ist, weiß wovon ich spreche. Nicht so auf der „Radrunde Allgäu“. Denn hier gibt´s alternativ jede Menge toller Locations und Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Zum Beispiel in Wangen.
Der Blick in den dunklen, wolkenverhangenen Himmel bestätigt uns, was wir schon Tage zuvor vom Wetterbericht nicht wissen wollten: Petrus wird uns heute wohl nicht hold sein. Macht nichts. Getreu dem Motto „in Wangen bleibt man hangen“ stärken wir uns erst mal hinter den mittelalterlichen Mauern der historischen Altstadt mit Leberkäs und traditionell handwerklich hergestellten Seelen beim Fidelisbäck. Schon seit 500 Jahren wird hier nach der gleichen Rezeptur im alten Brotbackofen gebacken. Und der Leberkäs wurde hier erst erfunden. Schmeckt echt lecker, Gourmet-Tipp für jeden Wangen-Besucher! Bei einer Stadtführung lassen wir uns anschließend von Beate Leupolz mit auf eine Zeitreise in die liebevoll restaurierte historische Altstadt mitnehmen. Ganz toll ist zum Beispiel das Standesamt im Rathaus, eine Hochzeitslocation mit besonderem Charme: ein kleines verwinkeltes Turmzimmer mit vergitterten Fenstern! Hier kommen Braut oder Bräutigam so schnell nicht mehr raus, wenn sie erst mal drin sind! Spannend auch die mittelalterlichen Badstuben, wo einst die Bader ihre Mitbürger nicht nur reinigten und schröpften, sondern auch kräftig zur Ader ließen.
Auch in unserem nächsten Etappenziel, der Stadt Isny, kommt trotz Regen keine Langeweile auf. Hier gibt`s Allgäuer Kultur- und Kirchengeschichte hautnah zu erleben… aber nicht zum Anfassen! Da passt unser Guide Hans Westhäuser ganz besonders auf. Er führt uns in die Prädikantenbibliothek in der Nikolaikirche. Hört sich etwas verstaubt an, ist aber unglaublich spannend. Prädikant, noch nie gehört? Ich ehrlich gesagt auch nicht. „Die evangelischen Prädikanten waren Hilfsprediger, die selbständig eigene Predigten verfassen ehrenamtlich frei verkündigen durften“ erklärt uns Westhäuser. In der 500 Jahre alte „Prädikantenbibliothek“ in der Nikolaikirche bildeten sie sich weiter. Die Atmosphäre in dieser kleinen Kammer verzaubert. Ein altertümlicher Tisch mit schwerem Brokatteppich darauf, die Wände rundum bis zur Decke vollgestellt mit Büchern in alten ledernen Einbänden, durch die Fenster mit Butzenscheiben fällt ein seltsam fahles Licht. Während Petrus draußen einen Junitag im Jahr 2015 kräftig verwässert, befinden wir uns plötzlich in einer anderen Welt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts in einem sehr trockenen Raum übrigens. Westhäuser holt ein Hand voll getrockneten Hopfens aus einem Bücherregal: „Hopfen reguliert die Luftfeuchtigkeit besser als alles andere und das immerhin schon seit 500 Jahren“, erzählt er. Unser gebildeter Guide zeigt uns alte Bibeln, die Ende des 12. Jahrhunderts mit Hand auf Pergament geschrieben wurden und mit wunderschönen bunten und goldenen Zierbuchstaben verziert sind. Was das wohl für eine Arbeit war! Allein siebzig Original-Schriften Luthers stehen hier, eine Abendmahlschrift von Ulrich Zwingli mit eigenhändiger Widmung, aber auch Abhandlungen über Rechtswissenschaft, Geschichte und Geographie, wie ein Amsterdamer Weltatlas in Schweinsledereinband mit Goldpressung und Goldschnitt. Das älteste Buch hier ist 800 Jahre alt. Wahnsinn! Die Prädikantenbibliothek ist nicht nur an Regentagen einen Besuch wert, allerdings geht das nicht jeden Tag. Im Sommerhalbjahr (von Ostern bis 31. Oktober) jeden Mittwoch um 10.30 Uhr, sowie jeden ersten Samstag im Monat um 15.30 Uhr. Treffpunkt: Nikolaikirche.
Auch die Stadt Lindenberg, die auf der Radrunde liegt, lädt (auch bei schönem Wetter), zur Stippvisite ins Museum. Und zwar in ein ausgezeichnetes Museum. Erst vor wenigen Tagen wurde das deutsche Hutmuseum mit dem den bayerischen Museumspreis ausgezeichnet. Türen auf und Hut ab! heißt es hier. Angelika Schreiber, die Museumsleiterin persönlich, führt uns mit viel Esprit, Humor und Temperament durch 300 Jahre Hutgeschichte(n) zum Anfassen und Aufsetzen. Wir erfahren Erstaunliches: Über vier Millionen Strohhüte produzierten die Frauen und Männer aus Lindenberg um das Jahr 1900. die ganze Welt trug Hüte aus dem Allgäu, das Klein-Paris der Hutmode lag mitten im beschaulichen Allgäu! Wer hätte das gedacht? In einer der größten Hutfabriken jener Zeit, der ehemaligen Hutfabrik Ottmar Reich erleben wir auf etwa 1000 Quadratmetern Fläche ein spannendes, abwechslungsreiches und hochmodernes Museum, mit Fabrik-Kino, Hut-Tornado und erfahren Interessantes und Kurioses rund um das Thema Kopfbedeckung. Am Ende können wir selbst nach Herzenslust ausprobieren, welcher Hut zu uns passt. Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag, 9.30 Uhr bis 17 Uhr. Die Führung ist klasse, dauert etwa 70 Minuten und muss gebucht werden unter 08381-92843-20,