Allgäuer Alpenblog

Die Glut der Sonne im Allgäu: Glasmacherdorf Schmidsfelden

Wir machen uns auf den Weg, erkunden die Städte des Allgäus in Rund- und Spaziergängen, Betrachtungen und Gesprächen. Wir? Zwei erfahrene Reisejournalisten, die ihrer Sammlung an Länderpunkten einen weiteren hinzufügen – das Allgäu. Wir besuchen das Glasmacherdorf Schmidsfelden und lassen uns blenden von der gleißenden Glut des Feuers und der bunten Vergänglichkeit des Glases. Begleiten Sie uns…

von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)

Lollipop-Parade im Vorgarten: Das Glasmacherdorf Schmidsfelden verbindet…

…traditionelles Handwerk, zeitgemäße Produkte und moderne Arbeitsteilung

„Glas machen“, sagt Beate Wirth nun, während sie konzentriert durch ihre dicke schwarze Brille in den Ofen schaut, in dem es glüht wie nur die Sonne glühen kann, „ist wie Akrobatik: Man muss genau im richtigen Moment alles richtig machen.“ Einen Moment noch dreht sie die lange Eisenstange in ihren Händen, dann stemmt sie mit Schwung den Glasrohling aus dem Ofen. Formt mit einem groben Holzlöffel. Kühlt mit Wasser. Bis ein runder Knubbel entsteht. Zurück in den Ofen damit. Warten. Beobachten. Zeit nur für einen kurzen Satz: „Wenn es nicht klappt, ins Altglas damit.“ Wieder öffnet sie den Ofen, schwingt das Glas heraus und bläst in die Eisenstange. Dreht. Bläst. Dreht. Der glühende Knubbel verwandelt sich in einen strahlenden Ballon. Wird gekühlt und dann mit martialisch aussehenden Werkzeugen abgeflacht.

Eine Schulklasse kommt heute zu Besuch in die hohe alte Scheune mit der modernen Glasmanufaktur. Bis dahin muss Beate Wirth noch ein paar bunte Scheiben produzieren. Es ist die Bestellung einer Kundin, die sich aus dem Glas ein Türfenster fassen lassen will. Und während die Glasmacherin sehr konzentriert ihrer Arbeit nachgeht, eine grün-bunte Scheibe nach der nächsten produziert, sehen wir uns in der großen Scheune um und erkunden das Dorf. Rund ein Dutzend Gebäude machen diesen Ort aus zwischen Feldern und Hainen, nahe der munter dahin fließenden Eschach und dem herzförmigen Emerlander Weiher. Ein Dorf aus einer anderen Zeit. Ein Museumsdorf. Und würde man sich hier an diesem Ort nicht engagieren, so wäre bald schon vergessen, dass dies hier einst eine besondere Handwerkskunst lebte.

Der Glut trotzen: Eisen, Holz und Wasser sind die Werkzeuge der Glasmacher

Glas machen ist wie Akrobatik: Man muss im richtigen Moment alles richtig machen

Hat mit Schleifen nix zu tun: der Feinschliff am Werkstück

Handwerk mag einen goldenen Boden haben. Aber das Handwerk hat es auch nicht leicht. So zählten die Glasmacher einst zu den Königen aller Handwerkszünfte. Sie verdienten viel, hatten ein hohes Ansehen und waren berüchtigt für ihre Selbstherrlichkeit. Die Glasbläsermühle in Schmidsfelden im Allgäu wurde 1825 eröffnet. In vielen Orten muss es Betriebe wie diesen gegeben haben. 1898 wurde dieser wieder geschlossen. Fernab von Bodenschätzen, Brennstoffen und Eisenbahnlinien konnte man nicht bestehen gegen die großen Unternehmen, die die Industrialisierung im Rheinland und in Sachsen hervorgebracht hatte. Einhundert Jahre später besann man sich des Handwerks im Weiler bei Leutkirch und gründete ein Museumsdorf. Um späteren Generationen ein Bild davon vermitteln zu können, was für coole Dinge die Menschen hier einst vollbrachten.

Die meisten Häuser Schmidfeldens dienen dazu, diese Geschichte zu erzählen. Wir stromern durch ein weiteres Museum, betrachten das einstige Herrenhaus ganz am Rande des Dorfes. Ein Blick in die Ferne. Die Sonne scheint. Vögel zwitschern. In einem Zwetschgenbaum brummen Insekten. Der wunderbar glatte Asphalt eines Radweg reflektiert die Wärme dieses Spätsommertages. Der Weg schwingt sich von hier aus auf in die Ferne – bis nach Ravensburg. Wir kehren zurück in die Glashütte und treffen Stefan Michaelis. Er ist der Inhaber und erzählt von den Anstrengungen, die es bedeutet, heute so einen Ort am Leben zu halten. Auf die Erfolgsspur sei man gekommen mit Kunsthandwerk, Gartenobjekten, Schmuckglas. Die Gäste würde die bunten Gläser lieben.

Großformatige Bilder erzählen vom harten Leben einer stolzen Zunft

Das von Stefan Michaelis geführte Glasmacherdorf produziert feines Kunsthandwerk

Stillleben der Vergänglichkeit: Gläser, Staub, Spinnweben und ein Fenster

Inzwischen ist die Schulklasse da. Man spürt sofort, dass Beate Wirth nicht zum ersten Mal so eine Veranstaltung leitet. Die Frau, die überhaupt erst als zweite Frau in Deutschland dieses Handwerk gelernt hat, begeistert die Kids mit ihrer Akrobatik. Und mit der Magie des Feuers. Schon vor zweihundert Jahren hat die im Ofen gebannte Sonne die Menschen fasziniert. Mag auch das Handwerk an Boden verloren haben, seine goldenes Licht strahlt noch. Besonders bunt und schön in Schmidsfelden.

Glasmanufaktur Michaelis. Die Website des heutigen Betriebs in der ehemaligen Glashütte

Schmidsfelden. Informationen zum historischen Ortsteil von Leutkirch

Allgäu Radweg. Eine der vielen schönen Strecken führt mitten durch das Museumsdorf

Licht, scheibchenweise. Farbige Glasproben im Museum

Ein besonderer Zauber liegt über dem kleinen Ort mit seiner farbenfrohen Vogelwelt

 

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