Alpen… äh, was bitte? Alpenwellness? Wir wollen wissen, wie es sich anfühlt, wenn man zwischen Almen entspannt und Kräuter erlebt. Wir? Eine Fotografin und ein Autor aus Hamburg, zwei Reisejournalisten, die ihrer Sammlung an Länderpunkten einen weiteren hinzufügen – das Allgäu. Station 18: Unweit des Märchenschlosses verliebt sich eine brasilianische Eisprinzessin in einen bayerischen Hotelier. Und sie verwandeln ein Haus, das den Namen eines Geistes aus dem Siebengebirge trägt, in einen besonderen Ort: das „Rübezahl“
Ein Hotelportrait von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Erst wollte er nicht kommen, nun scheint er nicht mehr gehen zu wollen – der Winter. In der Nacht ist die Landschaft mit einer frischen Puderzucker-Schicht überzogen worden. Zartweiß zeigen sich die Gipfel der Berge und die Zinnen von Schloss Neuschwanstein. Weiß auch die Wiese vor dem Hotel „Rübezahl“. Das selbst aber stemmt sich gegen einen Winter, der nicht enden will. Warm und golden strahlt das Licht aus den Fenstern, der blaue Pool dampft wohlig, und aus der bodentief verglasten Sauna erscheint einem der Schnee eher als willkommene Herausforderung. Es ist alles eine Frage der Perspektive, selbst ein Spätwintertag im Allgäu.
Als eine Frage der Perspektive lässt sich auch die Entscheidung von Giselle Thurm darstellen, an welchem Ort sie würde leben wollen: im Schatten des Zuckerhuts von Rio de Janeiro, der lebensfrohen, aber nicht immer nur einfachen Metropole Brasiliens, die jährlich von rund 1,5 Millionen Menschen aus aller Welt besucht wird, oder im Schatten von Schloss Neuschwanstein, dem „Märchenschloss“ des gleichsam nicht nur einfachen Ludwigs II., das jährlich ebenfalls etwa 1,5 Millionen Menschen aus aller Welt anzieht? Dass sich die grazile Frau mit den langen dunklen Haaren gegen den ewigen Sommer Südamerikas entschieden hat und für die manchmal laaaangen Winter im Allgäu, dürfte manche überraschen. Für die Gäste des Hotels Rübezahl war es ein Glücksfall. Gemeinsam haben Giselle und Erhard Thurm dem Haus eine bajuwarisch-brasilianische Seele gegeben. Und sollten Sie sich als Gast fragen, warum Sie sich hier so wohl fühlen, könnte darin eine Antwort liegen.
1987 ist das Jahr, in dem US-Präsident Ronald Reagen vor dem Brandenburger Tor spricht, Bundeskanzler Helmut Kohl besucht die DDR, Berlin feiert 750-jähriges Stadtjubiläum, und Steffi Graf gewinnt ihren ersten Grand Slam-Titel. Im Allgäu beginnt eine Eiskunstläuferin aus Brasilien für ihre Karriere zu trainieren. Das wird ähnlich erfolgversprechend gewesen sein wie die Trainingsfahrten des Bob-Teams von Jamaica. Aber hier geht es um Leidenschaft, um die Liebe zum Winter. Der sich bald noch eine andere hinzu gesellt. Um ihr Leben im fremden, aber wundervoll kalten Land bestreiten zu können, beginnt Giselle zu jobben. Im Hotel Rübezahl. Da verliebt sich der Brasilien-Fan und Hotel-Inhaber Erhard Thurm in die Eisprinzessin aus Rio. 1990 – es ist das Jahr der deutschen Einheit und des Endes der Apartheid – heiraten die beiden. Und beginnen die Arbeit an ihrem Lebenswerk.
Heute, wenn man hier so steht, in der smarten Empfangshalle des Hotels Rübezahl, das von außen nur aus einer bestimmten Perspektive noch ein wenig an das 2-Sterne-Gasthaus erinnert, das es mal war, da kann man nicht anders als seinen Respekt zollen für die Gestaltungskraft der Thurms. Seit mehr als 25 Jahren arbeiten sie ständig an diesem Haus, alle zwei bis drei Jahre wird neu gebaut. Und jetzt präsentiert das Hotel als modernes Hideaway mit 54 Zimmern, von denen einige auch großen Häusern gut anstünden – mit ihrem mutig-verspielten Design, der liebevollen Deko und den verblüffenden Lichteffekten. Zu denen auch die Kamine in den Suiten gehören. Man sitzt vor ihrem wärmenden Leuchten und sieht hinaus in den Schnee, der wieder leise zu rieseln begonnen hat.
Giselle und Erhard Thurm sind stolz auf ihr Haus, das sich auch für sie noch etwas neu anfühlt. Besonders aber freuen sie sich über die Resonanz der Gäste. Nachdem das Hotel für die Bauarbeiten mehrere Monate geschlossen war, erhält man viel Lob. Etwa für die Internationalität des Rübezahls, in dem man vier Sprachen (Deutsch, Englisch, Italienisch, Portugiesisch) spricht. Für die frische mediterran angehauchte Küche, die im bodentief verglasten Restaurant serviert wird. Und für die große Wellness-Abteilung, in der einige Anwendungen so allgäuerisch sind, dass wir sie unbedingt ausprobieren mussten. Etwa die Allgäuer Stein-Massage.
Bei dieser Abwandlung der Hot Stone Massage wird der Körper mit den warmen Steinen durchgewalkt. Eine wundervoll entspannende Anwendung, bei der man sich vortrefflich darüber freuen darf, dass vor fast 30 Jahren eine brasilianische Eiskunstläuferin auf die verrückte Idee gekommen ist, ihre Heimat zu verlassen. Und auch wenn Giselle Thurm behauptet, die nächsten Arbeiten am Hotel überlasse man dem Sohn des Hauses, der inzwischen 20 Jahre alt ist und Tourismuswirtschaft studiert, wir sind sicher, dass die kreativen Thurms noch einige Überraschungen für uns parat haben – und freuen uns auf den nächsten Besuch.
Das Rübezahl. Alle Infos zum schönen Hideaway unterhalb Schloss Neuschwansteins
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