Die wunderschöne Marktoberdorf-Runde der Wandertrilogie Allgäu
Stolze 876 Kilometer hat die Wandertrilogie Allgäu im Rucksack. Die junge Dame im Dienste der Allgäu GmbH, Gesellschaft für Standort und Tourismus, verführt Wiesengänger, Wasserläufer und Himmelsstürmer dazu, sich in ihrem engmaschigen Weitwanderwegenetz lustvoll zu verfangen. Die Marktoberdorfer Runde ist eine Art Schnupperkurs für Trilogie-Tester bzw. Allgäu-Urlauber.
Drei Höhenlagen, sich allmählich steigernde Anforderungen, perfekte Vernetzung der Routen durch Trilogie-Leitern: Marktoberdorf, die Kreisstadt des Ostallgäus, bekannt für ihren kulturellen Reichtum, für die Vielfalt an hochkarätigen Veranstaltungen, hat Anteil an der Wiesengängerroute im Norden und der Wasserläuferroute im Süden. Nicht mehr die Landkreisgrenzen ordnen jetzt die Themen, thematisch zusammengehörende Regionen bilden Trilogieräume. Marktoberdorf ist dem Raum „Schlosspark“ zugeordnet. Von Fürstbischof Clemens Wenzeslaus, der in Oberdorf Sommerfrische hielt, bis zu König Ludwig II. und Schloss Neuschwanstein: es gibt so viele Geschichten zu erzählen.
Fast hätten wir uns nicht gefunden. Wanderführer Hartwig Tietze erwartete mich pünktlich am eigens eingerichteten „Start- und Willkommensplatz“ für die Allgäuer Wandertrilogie-Tour, eigentlich unübersehbar, im kleinen Park hinter dem Rathaus. Ich stand am „I“-Punkt „Gästeinformation“ vor dem Rathaus bzw. am Eingang zum Tourismus-Büro. Aber da beides ja nur einen Steinwurf voneinander entfernt ist, konnten wir dann doch mit nur wenigen Minuten Verspätung aufbrechen. Die Wegmarke am Anfang steht auf rauem „Gottesbeton“, dem für das Allgäu so typischen Nagelfluh. Das Konzept der Trilogie ist symbolisch erklärt, mit Glückswegen, Panoramalogen und Gipfelwelten. Zwischen Portal- und Themenorten ist Marktoberdorf Etappenort, behütet vom Klobunzele, dem guten lokalen Schutzgeist mit dem langen, grünen Bart.
Karl Meichelbeck – Archivar, Benediktiner, Chronist
Es ist ein heißer Sommertag. Auf dem Weg vom Rathaus zur Frauenkapelle queren wir die Meichelbeck-Straße. Nach dem Goethe-Motto „Du siehst nur, was Du weißt“, deutet Hartwig Tietze auf eine großformatige Inschrift an einer Fassade: „Dieser Karl Meichelbeck hat von 1669 bis 1754 gelebt. Der Marktoberdorfer war Geistlicher Rat, Benediktiner-Mönch, Kirchenhistoriker und Archivar der Abtei Benediktbeuren!“ Was man da nicht lesen kann, weiß der Wanderführer auch: „Er hat die 1000-jährige Geschichte des Bistums Freising geschrieben. Und zwar nicht nach der Phantasie, sondern nach Fakten und Archivalien. Sein Geburtshaus wurde beim großen Stadtbrand 1759 vernichtet.“
Die spätgotische Frauenkapelle mit ihrem barocken Laternenturm wurde 1475 errichtet, um es alten Menschen und Kranken zu erleichtern, zur Messe zu gehen. Dass es ein wenig mühsam ist, über rund 180 Stufen zur Pfarrkirche St. Martin und zum Fürstbischöflichen Schloss ins Marktoberdorfer Hochparterre hinaufzusteigen, werden wir gleich erfahren, wenn Hartwig Tietze sein Bilderrätsel losgeworden ist.
Am Giebel des Alten Rathauses ist über der Büste von Clemens Wenzeslaus eine mannshohe Figur zu sehen, die eine schräg aus der Wand kragende Waage hält. Wer könnte das sein? Auch ich falle auf die Frage und vor allem auf die Darstellung herein und tippe vorschnell auf Justitia, die römische Göttin der Gerechtigkeit. Hartwig Tietze lächelt milde, er hat diese Antwort schon oft gehört und korrigiert sanft: „Nein, das ist der Erzengel Michael mit der Seelenwaage, der Wächter des Paradieses!“
Und weil wir uns ja im „Schlosspark“ befinden und der Schwerpunkt auf Sagenhaftem liegt, werden auch im Weitergehen noch Geschichten erzählt: von den Mägden im ehemaligen Sternen-Wirt, die beim Flachsspinnen leichtsinnig waren und den großen Stadtbrand ausgelöst haben. Dutzende von Anwesen wurden vernichtet. Der Besitzer des hübschen, historischen Giebelhauses neben dem Alten Rathaus, in Marktoberdorf als „Aha-Gebäude“ bekannt, hat den Heiligen Florian um Hilfe angerufen und versprochen, sein Bild anbringen zu lassen, wenn das Haus verschont bleibt. Der Handel hat geklappt. Dass zuvor der dunkle Zauberer Frastini, der in seinem Koffer „lebendige Totenschädel“ trug, den Ort verflucht hat, steht auf einem anderen Blatt.
Der Wind zaust die Fächerfinger der Kastanien. Schnaufend sind wir im Schatten von St. Martin einerseits und dem Fürstbischöflichen Schloss andererseits angekommen. Hartwig Tietze erzählt schon wieder schaurige Geschichten: „Der Oberdorfer Pfarrer hatte gepredigt, dass die Geizhälse im Volk mehr Mildtätigkeit zeigen und nicht laufend die Bettler mit dem Knüppel vom Hof schlagen sollten!“ Wo denn so etwas trotzdem passierte, sei der riesige Schwängel der größten Glocke im Turm magisch durch die Luft geflogen und habe strafend auf den Bauern eingedroschen. An einem Martinstag habe sich die komplette Glocke dann aber selbst im Hattenhofener Moor versenkt. Die geizigen Leute vermehrten sich, bis als Strafe die Pest kam. Hartwig Tietze schlussfolgert logisch: „Seither sind die Oberdorfer besonders gastfreundlich!“
Am Rambogen – herrlicher Blick in die Berge
Das Steinmännchen in grün und blau weist uns weiterhin die Richtung. Man findet das freundliche Markierungsmotiv an allen Wegweisern, vor allem an den Kreuzungspunkten. Grün für Wiesengänger, Blau für Wasserläufer. Das Rot für Himmelsstürmer kommt in Marktoberdorf nicht vor. Mit Letzteren sind die Bergsteiger gemeint, die auch die Vertikale nicht scheuen, sich auf Gipfel und Grate freuen, die am höchsten Punkt der Fürstbischöflichen Lindenallee hoch über Marktoberdorf, in diesem fast zwei Kilometer langen Naturdenkmal, wie eine von Alpenmaler Giovanni Segantini inszenierte Theaterkulisse aufragen.
Hier, am Rambogen, mit Blick auf den Säuling, den Wächter des Ostallgäus, wird deutlich, was gemeint ist, mit Trilogieraum Schlosspark. Herrlich die hintereinander gereihten, im Dunst schemenhaft verschobenen Hügel. Nur zu ahnen die Bläue der Seen. Ein Spiegel des Himmels. Das grüne Allgäu mit glücklichen Kühen auf riesigen Weiden. Zum Greifen nah, an Föhntagen, die ganze Kette vom Aggenstein bis zur Zugspitze. Wer als Weitwanderer hier eintrifft, stehenbleibt, staunt, stutzt, entdeckt die Eingangsstele, die das Klobunzele zeigt, mit seinem grünen Bart, und neugierig macht, auf die vielfältigen Möglichkeiten und Angebote der Kulturstadt Marktoberdorf.
Hartwig Tietze weiß versteckte Steige und Wege hinunter ins Riedle. Der Einschnitt zwischen Schlossberg und Buchel. Die Bundesstraße in Richtung Füssen fällt kaum auf. Die Blumenpracht auf den Balkonen und in den Gärten der Einfamilienhäuser wirkt wie ein buntes Tarnnetz. Der Aufstieg zur Buchel, dem naturnahen „Stadtpark“ Marktoberdorfs, ist kurz aber steil. Der Aussichtspunkt „Drei Bäumle“ mit einem gerahmten „Schaufenster“ der Wandertrilogie, befindet sich genau 777 Meter über dem Meer. Von Venediger-Männchen wird erzählt, von einer sagenhaften Brücke ins Tannheimer Tal.
Gleich neben diesem schattigen Balkon, ein schönerer Ort ist kaum dafür vorstellbar, hat sich der „Engel-Landeplatz“ bzw. „Schutzengel-Landeplatz“, eine Steininstallation des Bildhauers Christoph Wank, zum romantischen Stelldichein entwickelt: Kinder treffen sich hier, Liebespaare und letztlich die ganze Stadt, z. B. an Silvester, weil von hier oben das Feuerwerk besonders gut zu sehen ist.
Wir kehren auf den spinnennetzartig über den Erholungspark Buchel gespannten, äußerst gepflegten Wegen allmählich zurück ins Stadtgetriebe. Hartwig Tietze zeigt mir noch schattige und sonnige Bereiche, den Kinderspiel- und Bolzplatz sowie die kleine Wendelins-Kapelle, deren Ursprünge ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Damals wurde der Viehpatron hier oben ja noch dringend gebraucht, im Reich der Kühe, Schafe und Schumpen, bis die Stadt die Buchel ab 1889 zum mittlerweile sechzehn Hektar großen Naherholungsgebiet machte.
Im Westen der Buchel hat Rübezahl sein Reich
Im Westen der Buchel – neben der Keltenschanze – hat Rübezahl sein Reich, seinen Brunnen, auch sein Denkmal, der Schutzgeist des Riesengebirges. Der Kollege quasi, von unserem uralten Klobunzele. Er kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Heimatvertriebenen ins Ostallgäu. Mit ihnen ist er längst Mitbürger geworden. Freundliche Schutzgeister kann man nie genug haben.
Ein letzter Blick durch das Trilogie-Fenster auf das Fürstbischöfliche Schloss, das heute ja Sitz der Bayerischen Musikakademie ist, und dann steigen wir auf gekiesten Wegen hinunter zur Carl-Maria-von-Weber-Straße. Und hier weiß – nach zweieinhalb Stunden bergauf-bergab durch das grüne Marktoberdorf – Hartwig Tietze eine letzte Geschichte. Eine wahre diesmal, eine historisch belegte: In Marktoberdorf wurde am 2. Januar 1764 Genovefa Brenner geboren, die Mutter des Komponisten Carl Maria von Weber, der Komponist der Oper „Freischütz“.
Wir bleiben vor ihrem Geburtshaus noch einmal kurz stehen: „Die Opernsängerin und Schauspielerin Genovefa wurde von Fürstbischof Clemens Wenzeslaus gefördert, ihr Vater war Hofschreiner, sie arbeitete an Goethes Theater in Weimar und ist mit der Familie Mozart verwandt!“
Angefüllt mit viel neuem Wissen, auf dem Speicherchip der Kamera herrliche Bilder von einem Sommertag in Marktoberdorf, so geht unser Ausflug in die Belletage der Stadt zu Ende. Hartwig Tietze wüsste noch so viel zu erzählen. Von Wiesengängern, Wasserläufern und Himmelsstürmern…
Zum Glück gibt es ja noch viele Kilometer mehr, rund um Marktoberdorf und im gesamten Allgäu, auf denen man der jungen, attraktiven Dame Wandertrilogie phantasievoll den Hof machen kann.
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Das Touristikbüro Marktoberdorf informiert Sie gerne über den nächsten, geführten Trilogie-Rundgang. Für Betriebsausflüge oder Vereinsfahrten gibt es ein reichhaltiges Angebot an Themenführungen und spannenden Stadtspaziergängen. Infos jederzeit im Internet: www.touristik-marktoberdorf.de
https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=13X0aomo3KxlQoBL4adgR-B_CAdI&hl=en_US
[…] möchte, kann jetzt noch von Ebenhofen in die nahegelegene Stadt Marktoberdorf radeln und als Zuckerl für die Familie den südlich von der Stadt gelegenen Klettergarten […]