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Nov

Wiesengänger: eine Kulturlandschaft erleben – von der Katzbrui-Mühle nach Bad Wörishofen

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Wandertrilogie Allgäu – Etappe 03 Wiesengänger: 53 Etappen erschließen eine besondere Landschaft. Wir machen uns auf, einen unspektakulär-schönen Abschnitt zu gehen – von der Katzbrui-Mühle nach Bad Wörishofen. Und wir erleben den Liebreiz der Ebene…

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Ein Haus im Grünen: Die Katzbrui-Mühle ist ein Mühlenmuseum und selbst ein bedeutsames Bauwerk aus dem 17. Jahrhundert

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Sehnsuchtsort vieler Deutscher: ein lichtdurchfluteter Mischwald, durch den ein Bach fließt – hier wird der Wiesengänger gern zum Waldläufer

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Landschaftlicher Liebreiz. Hochsitze markieren den Übergang zwischen zwei Landschaften – hier begegnen sich Natur und Zivilisation

 

Heinz hat ausgedient, schon klar. Wurde einst das Heu in senkrechten Stapeln getrocknet, so dass es auf dem Feld stand wie ein Kerl, der sich als Gespenst verkleidet hat – und manche Felder waren voll mit diesen „Gespenstern“ –, liegt es heute in runden Ballen da. Die senkrechten Stapel nannte man Heinz. Sie waren Handarbeit. Die runden Ballen lässt ein Traktorfahrer erstellen. Er steuert sein Fahrzeug über die Wiese, das Heu wird von einer angehängten Maschine aufgenommen und zusammengepresst. Dann verlangsamt der Fahrer seinen Trecker, und die Maschine legt – einen großen Ballen. In weiße Folie eingewickelt. Ein Riesen-Ei.

 

Wiesengänger: vom Liebreiz der Ebene

 

Wir stehen wie Kinder am Wegesrand und sehen zu wie ein Ballen nach dem nächsten herausplumpst. Es ist so ein Städter-Aha-Moment. Im Allgäu weiß sicherlich jeder, wie die Dinger auf die Felder kommen. In Hamburg verfügen wir nun über neues Party-Wissen. Da erzählen wir dann von der Wandertrilogie Allgäu. Ihre Wege unterteilen sich in drei Kategorien: Himmelsstürmer, Wasserläufer, Wiesengänger. Man könnte manchmal den Eindruck gewinnen, dass die Wege entlang der Gewässer und über die Berge besonders hoch im Kurs stehen. Wir aber entdecken den Liebreiz der Ebene. Das Nebeneinander von Weg und Wald. Den Zauber der Kulturlandschaft. So erfahren wir, wie der Nachfolger von Heinz auf die Wiese kommt. Und dass selbst ein kräftiger Kerl ihn um keinen Millimeter bewegen kann. Der Mann im Traktor lacht sich eins.

 

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Die Axt im Walde: So richtig wollte sich der Mann mit dem Beil nicht fotografieren lassen. Dabei gibt es keinen Wald ohne Pflege…

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Farbenpracht im Herbst: Knallrote Beeren leuchten im Wald. Späte Farbtupfer

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Segen auf allen Wegen: Die Madonna in der Mariengrotte bei Katzbrui – und die Sitzmöbel der Wandertrilogie für Brotzeit oder kurze Pause

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Die Kraft der Zeit: Wind und Wetter setzen der Landschaft zu. Und den Bauwerken – der kleine Schuppen ergraut und ändert seine Haltung

 

Der Wiesengänger führt über bestehende Wege, verbindet etwa Abschnitte des Schwäbisch-Allgäuer- und des Kneipp-Weges. Ausgangspunkt unserer Wanderung ist ein Ort, dessen Namen wir Hamburger kaum aussprechen können. Katzbrui. Das liest sich so harmlos. Aber versuchen Sie es mal: ein kurzes, hartes Katz, eher wie Kazz, an das sich direkt ein weiches, fast langgezogenes brui anschließt, eher wie brühh. Bald haben wir den Eindruck, die norddeutsche Physiognomie ermöglicht das gar nicht. Wir sagen Kratzbuh. Die Mühle lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurück datieren. Im Sommer sitzt man schön im Biergarten nahe der Kratzbuh-Quelle…

 

Wiesengänger: mit jungfräulicher Unterstützung

 

An einem sonnigen, aber kühlen Herbsttag hockt man in der Wirtsstube vor einem Riesenteller Kässpatzn – und genießt ein Bier aus der Ein-Mann-Brauerei. Es sind besondere, gar etwas eigenwillige Leute, die Mühlen-Wirte. Sie brauen und backen, sie räuchern und lassen sich nicht anstänkern. Auf der Karte heißt es: „Sagen Sie es frei heraus, wenn Ihnen etwas nicht gefällt. Wir tun es auch.“ Uns schmeckt es. Essend beugen wir die Köpfe über unsere Wanderkarte und plaudern kurz mit der Bedienung. Ach, nach Wörishofen wollt’s? „Einfach dem Weg links folgen. Ist aber ganz schön weit – 16 Kilometer.“

Es geht durch einen feucht-kalten Mischwald. Die Rinnsale der Kratzbuh-Quelle teilen den dunklen Boden, Laub flirrt in der Sonne, die Luft schmeckt kühl und metallisch-frisch. Wir passieren eine Maria-Statue in einer Grotte. Frische Blumen zu ihren Füßen, um den Kopf trägt sie einen batteriebeleuchteten Heiligenschein. Andächtig lesen wir es uns vor – das „Gebet von Maria Einsiedeln“: „Alles möchte ich dir erzählen, alle Sorgen, die mich quälen, alle Zweifel, alle Fragen…“ Weiter dem Weg folgend sprechen wir über die Sinnsuche des Menschen, an welch überraschenden Orten ihre Spuren zu finden sind. Gleichsam prophetisch öffnet sich die Landschaft. Wir treten aus dem Wald, das Licht wird heller, vor uns weitet sich das Allgäu.

 

 

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Wiesengänger. Im Herbst sind die Maisfelder gestutzt – und das Unterallgäu zeigt seine Weite. Und die schlichte Schönheit einer Kulturlandschaft

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Einwanderer aus der Schweiz: Das für das Allgäu typische Braunvieh wurde im 15. Jahrhundert gezüchtet und stammt ursprünglich aus der Schweiz

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Türmchenbau zu Bad Wörishofen. Die markanten Merkmale der Wandertrilogie im Ortszentrum – und ein Stubentiger zwischen Stiefmütterchen

 

Immer wieder mäandert der Wiesengänger-Weg zwischen Wald- und Feldrain. Erst Hochsitze, später vermehrt Schuppen. Die Haine auf den Feldern wie Inseln. Plötzlich eine Landschaftsform, die uns vertraut scheint. Das ist doch, genau, ein Deich! Im Allgäu? Wir lesen, dass er die Kraft der Mindel zähme. Ein vermeintlich unscheinbarer Bach. Beim Jahrhunderthochwasser im Jahre 2002 lösten auch ihre Fluten sogar Katastrophenalarm aus. Das letzte Waldstück, das wir betreten, ist schon der wundervolle Wald von Bad Wörishofen. Ein weiter Mischwald, der für uns auch die Einsamkeit des Wiesengänger-Daseins beendet. Waren wir bisher keinen anderen Wanderern begegnet, kommen uns nun Spaziergänger und Gassigeher, Jogger und Crossläufer entgegen. Und sogar zwei Rucksackträger – mit Ziel Ottobeuren.

 

Wiesengänger: im Wald von Bad Wörishofen

 

Nach etwa dreieinhalb Stunden erreichen wir den Park von Bad Wörishofen. Der ist ein ganz besonderer Schatz mit seinen Kräuter- und Rosengärten, seinen künstlich angelegten Teichen und dem großartigen Barfußpfad. (-> hier eine Geschichte zum Park) Wir ziehen an einer Kneipp-Anlage Schuhe und Strümpfe aus und tauchen die Füße ins eisige Wasser. (-> Geschichte zu Sebastian Kneipp) Es scheint fast ein wenig zu zischen. Dann schlendern wir durch den Ort. Schön, wie schnell sich der Modus ändert, wie man vom Wiesengänger zum Flaneur wird, der eher entspannt durch die Innenstadt streift. Und der die wundersamen Blicke der adrett gekleideten Kur-Gäste auf das eigene eher rustikale Outfit als Respektsbekundung betrachtet.

Nach der Ruhe der Landschaft wirkt Bad Wörishofen fast wuselig. Und doch ist es toll, dass dies unser Etappenziel ist. Wir schnüren ein wenig durch den Ort, essen ein Eis, kaufen etwas Obst – die leckersten Muskateller-Weintrauben der Welt! (-> zur Geschichte der Obstinsel) – und sitzen abends, frisch geduscht und ganz lebendig, in einem Restaurant. Ein leckeres Getränk, die Backen voll. So, sag an: Was war der schönste Moment dieser wundervollen Wanderung? Dass man am Abend wohlig erschöpft ist – und sich doch freut auf die nächste Etappe…

 

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Ein Genuss für die Sinne: das flirrende Licht, das knisternde Laub, der Duft würzigen Waldbodens und das eiskalte Wasser an den Füßen

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Ein Mann, eine Vision, ein Kur-Ort: Sebastian Kneipp hat Wörishofen erst zum Bad werden lassen und prägt den Ort noch heute

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Die prägenden Dächer von Bad Wörishofen: Türme der Kirche des Dominikanerinnen-Klosters (li.) und der Stadtpfarrkirche St. Justina


Wandertrilogie Allgäu – das Wege-Prinzip und eine detaillierte Beschreibung aller 53 Etappen

Die Kneipp-Stadt – alle wichtigen Infos zu Bad Wörishofen, unter anderem ein Verzeichnis aller Kneipp-Anlagen

Wirtshaus im Grünen – die Katzbrui-Mühle stammt aus dem 17. Jahrhundert, das Essen stärkt den Wanderer

Das Allgäu – Bilder, Geschichten, Tipps und Infos zu einer der schönsten Regionen Deutschlands

Wandertrilogie Etappe 03 – Streckenbeschreibung, Kartenausschnitt und Höhenprofil zu dieser Etappe

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