Allgäuer Alpenblog

Hightech-Krippe im Retrolook

Das mechanische Weihnachts-Wunderwerk des Theodor Spöttl

Transmission, das hat nichts mit Glaubensverbreitung zu tun. Aber in unserem speziellen Fall durchaus mit Weihnachten, mit dem Stall von Bethlehem, mit den Heiligen Drei Königen und den Hirten auf dem Feld. „Transmission“ ist laut Internet-Lexikon „Wikipedia“ ein „historisches Riemengetriebe und gehört zu den Zugmitteltrieben. Die Wurzeln der Konstruktion reichen bis in die Antike!“ Und damit sind wir dann doch wieder beim Geschehen von Bethlehem.

Der Stall von Bethlehem (alle Bilder: Stadt Marktoberdorf)

Transmissionen – wer wüsste es nicht in der stolzen Heimatstadt von „Fendt-Dieselrössern“ bzw. -Traktoren – waren in den Anfangsjahren der Industrialisierung der gebräuchliche Antrieb für Reiben, Sägen oder Hämmer. Sie waren auf dem Bauernhof im Allgäu genauso üblich, wie in Brauereien oder Schnupftabakfabriken.

Die Kraftübertragung geschieht auch auf kurzen und weiten Strecken mit Hilfe von Lederriemen, die über zahlreiche Umlenkungen laufen und vor Ort verblüffende, mechanische Funktionen auslösen. Wie in echt also funktioniert letztlich „en miniature“ die berühmte „Spöttl-Krippe“ aus Fechsen im Ostallgäu, die jetzt in der Weihnachtszeit wieder im Stadtmuseum Marktoberdorf zu bewundern ist.

Hosengummis statt Lederriemen

Statt Lederriemen werden bei der „Spöttl-Krippe“ quasi Einweck- oder Hosengummis für die Kraftübertragung verwendet. Alles ist ja kleiner, filigraner wie in einer großen Industriehalle. 80 große und kleine Figuren bewegen sich in phantasievoll-liebevoll gestalteter Landschaft. Das Heilige Land als Kulisse, auf einer riesigen Holzplatte, wie man sie aus dem Modellbau kennt, nur dass es hier um das weihnachtliche Heilsgeschehen und nicht um eine Spielzeugeisenbahn geht.

Hell erleuchtet: Maria, Josef und das Kind in der Krippe. Dazu Schafe und Hirten…

Oben sieht man eine Herde Schafe, den Haushalt der Heiligen Familie in Nazareth, jubilierende Engel oder den Stall von Bethlehem, mit Krippe, Ochs und Esel; Unter dem sichtbaren Geschehen verbirgt sich ein wahres Wunderwerk an Gummizügen, Kurbeln und Rädern. Ein Paradies für Technikfreaks.

Der typische Allgäuer Mechler Theodor Spöttl aus Fechsen begann um 1890 mit dem Bau seiner Wunder-Krippe. Es war der ganze Ehrgeiz des Bastlers, dass alles möglichst lebensecht ausschauen sollte. „Dass alles in Bewegung war, Tiere, Menschen, Engel“, erzählt Museumsleiterin und Stadtarchivarin Josephine Heddergott, die sich sehr darüber freut, dass die Stadt Marktoberdorf diese ganz besondere Weihnachtskrippe, die schon mehrfach den Bayerischen Rundfunk interessiert hat, auch heuer wieder der Öffentlichkeit vorstellen kann.

König Herodes – in all seiner Pracht

Matthias Kelz und Gustav Kleynemeier

Wenn Ende November/Anfang Dezember die riesige Schutzkappe abgenommen und die „Spöttl-Krippe“ wieder beleuchtet und aufgebaut wird, das ist jedes Mal ein besonderes Ereignis. Es ist das Verdienst von Matthias Kelz und Gustav Kleynemeier, selbst leidenschaftliche Tüftler, dass es der Stadt alle Jahre wieder gelingt, das filigrane Spöttl’sche Wunderwerk zum Laufen zu bringen.

Mit Wasserkraft werden die im Untergrund kreuz und quer laufenden Riemen heute nicht mehr angetrieben, heute laufen die Transmissionen elektrisch. Da es um die Jahrhundertwende aber noch keinen Strom aus der Steckdose gab, stellte Theodor Spöttl ursprünglich einen Behälter im Dachboden des Hauses auf und leitete Wasser per Schlauch zu einer Turbine. Diese setzte dann mit Hilfe eines wahren Labyrinths an Transmissionen den weihnachtlichen Figurenpark in Bewegung.

Die Krippenfigur auf dem „Förderband“

Die „Spöttl-Krippe“ ist die älteste noch funktionierende mechanische Krippe in Schwaben. Die Figuren bewegen sich nicht nur in Gruppen – schreiten also beispielsweise auf einer Scheibe im Kreis – sondern der vermeintlich planlose Draht-, Räder und Gummizugverhau im Untergrund – also außerhalb des Blickfelds der Betrachter – macht es möglich, dass ein Hirte Holz hackt oder der Heilige Josef die Laterne schwingt

Wegweiser wechseln automatisch die Seite

Es ist eine einzige weihnachtliche Superschau, wenn der Wegweiser, der für die Heiligen Drei Könige “Richtung Bethlehem“ zeigt, nach deren Huldigung an der Krippe vollautomatisch die Seite wechselt und plötzlich „Richtung Ägypten“ darauf zu lesen steht.

Die Heiligen Drei Könige – immer in Bewegung

Die Schafe strömen in schier endloser Herde durchs Bild. Wenn man ganz genau hinschaut, sieht man die Tiere am Ende der Platte ins Nichts abkippen. Und wer sich jetzt rasch bückt und eine Taschenlampe hat, kann unterm Tisch beobachten, wie das Förderband die ganze Herde kopfüber wieder an den Startpunkt auf der anderen Seite der Platte zerrt.

Nicht sichtbar, unter der Platte, verbirgt sich ein Wunderwerk an Gummizügen und Rädern

Echter Weihrauch für die Könige

Theodor Spöttl starb 1951. Sein Sohn übernahm die Betreuung der Krippe. Und die Leidenschaft des Vaters. So schöpft die Figur zentral in der Mitte des Vordergrunds z. B. echten Weihrauch in das Rauchfass der Heiligen Drei Könige. Und sofort eröffnet der Duft des Harzes eine weitere Dimension des Erlebens.

Die „Spöttl-Krippe“ aus Fechsen. Ein Wunderwerk von 1890. Hier wird die Heilige Familie buchstäblich am Bandl über den Tisch gezogen. Im Advent, über die Feiertage und bis nach Heilig-Drei-Könige ist das „Theatrum Sacrum“ im Stadtmuseum von Marktoberdorf zu bewundern. Immer  mittwochs und sonntags wird die „Spöttl-Krippe“ zwischen 15.00 und 16.00 Uhr in Betrieb gesetzt. Außerdem – jederzeit – nach Vereinbarung. Telefon 08342/4008-81.

 


Infos zum „Stadtmuseum“ und zur „Spöttlkrippe“ jederzeit unter:

www.marktoberdorf.de

 

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