Mit hochkonzentrierten Mienen stehen die 15 Männer am Waldrand neben ihrem künftigen Maibaum. Der Schweiß steht Ihnen auf der Stirn, in losen Abständen bellen sie einander Anweisungen zu. „Noch ein bissl weiter vor“, „ein Stück nach rechts“ – sie leisten Zentimeterarbeit beim Aufladen des 34 Meter langen Stamms, der einmal die Ortsmitte von Roßhaupten im Allgäu schmücken soll.
Auf ihren Schultern lastet große Verantwortung. Geht etwas schief, fällt das traditionelle Aufstellen des Maibaums in der Landgemeinde aus. „Die Meisten sind nur bei dem Fest am ersten Mai dabei. Damit das aber stattfindet, haben wir Männer schon Wochen vorher Arbeit“, erzählt Gerhard Haslach, der Vorsitzende des Trachtenvereins „D’Waldbergler“. Wie in zahlreichen anderen Landgemeinden ist der Verein für das Fest und das Weiterführen des alten Maibaum-Brauchs verantwortlich.
Geheimes Versteck des Maibaums
Der Stamm, der in Roßhaupten bald stehen soll, ist inzwischen auf dem Weg zu seinem geheimen Versteck. Die Trachtler haben ihn auf einen Wagen gehoben und bugsieren ihn sicher den engen Waldweg entlang. Doch bevor aufgestellt werden kann, liegt noch eine ganze Menge Arbeit vor ihnen. Das ganze Wochenende ist das Team beschäftigt: „Der Stamm muss mit dem Hobel bearbeitet werden“, erzählt Gerhard Haslach. Außerdem müsse man das untere Ende noch zuschneiden, damit es in den Ständer passt, Löcher für Schilder und Halterung vorskizzieren und anschließend alles anbringen.
„Es darf auf keinen Fall bekannt werden, wo der Maibaum vor dem Aufstellen gelagert wird“, erklärt Haslach. Denn der Brauch des Maibaum-Stehlens ist ebenso alt wie der des Aufstellens. Die Roßhauptener müssten den Baum mit einer Brotzeit bei den Männern des Nachbarorts auslösen, falls es diesen gelingt, den Baum zu stehlen.
Maibaum wird von Hand aufgestellt
Die Roßhauptener sind aber gewappnet. „In Sechs-Stunden-Schichten bewachen wir den Baum“, erklärt der Bruder des Vorsitzenden, Manfred Haslach. Aufgestellt wird der Baum inklusive Drache natürlich von Hand. Zur Sicherung der Zuschauer dient ein Autokran.
Doch nach welchen Kriterien haben sich die Trachtler den Baum ausgesucht? Natürlich soll er schön gerade und so lang wie möglich sein, erklärt Gerhard Haslach. Doch auch die Stärke müsse passen – schließlich solle er im Ständer halten. Ein weiterer Punkt ist der Standort: Ob man den Baum gut aus dem Wald holen kann und wie viele Bäume dafür gefällt werden müssen.
„Außerdem soll er liegend noch genauso gut aussehen, wie stehend“, so Gerhard Haslach mit einem Schmunzeln. Gefällt wird der Maibaum traditionell rund um den Thomastag am 21. Dezember. Denn zu diesem Zeitpunkt halte das Holz länger.