Allgäuer Alpenblog

Das Allgäu zwischen Hightech und Ursprünglichkeit

Europa, Deutschland, Bayern, Allgaeu, Alpen: Bach im Hintersteiner Tal. 01.08.2007

Hightech und Ursprünglichkeit

Das vergangene Wochenende hätte auch als eine heimische HighTech Leistungsschau durchgehen können. Dabei waren alle Termine eher zufällig kombiniert: Internationale Pressekonferenz von Fendt AGCO, Eine Welt Festival Rapunzel, Handwerkertage im Bauernhofmuseum Illerbeuren, Viehscheid in Pfronten.  Ob Landwirtschaft, Ernährung, Kultur oder Brauchtum und über Jahrhunderte gewonnenes Wissen geprägt durch die Allgäuer Landwirtschaft. Es war eine faszinierende Reise durch die Jahrhunderte im Allgäu.

 Allgäuer Hof-Milch, Käse und Joghurt

Schon der römische Geschichtsschreiber Strabo berichtete, dass Alpbewohner Käse tauschten. Ab dem frühen Mittelalter wurden Bergweiden für die Alpwirtschaft genutzt und Käse war Teil der Naturalsteuer, gefördert von den Landesherren. Noch heute erkennt man die Rodungen an Namensbestandteilen wie Reute, Schwende, Schwand.  Und auch heute noch prägt diese Landwirtschaft die Allgäuer Kulturlandschaft. Wohl auch der Viehscheid ist auf diese Zeit zurückzuführen: Im Sommer weiden Kühe und Jungtiere, hier Schumpen genannt, auf den Bergweiden. Im September zieht der Alphirte nach rund 100 Tagen in den Bergen wieder hinab ins Tal. Daraus hat sich ein traditionsreiches Fest ergeben. Wenn der Sommer unfallfrei für Mensch und Tier verlief, wird die Leitkuh geschmückt. Der in Bergkräuter eingearbeitete Spiegel soll übrigens die bösen Geister vertreiben. Auch ein Zeichen alter Tradition.

 

Die Allgäuer Hof-Milch ist zwar ganz jung, fühlt sich aber der Historie verbunden: Ihre Molkerei sitzt in Missen-Wilhams, dort wo einst Carl Hirnbein die Milchwirtschaft im Allgäu einführte. Matthias Haug und Johannes Nußbaumer verarbeiten hochwertige Heu-Milch, garantieren ihren Bauern einen äußerst guten Preis für den hochwertigen Rohstoff Milch  und haben für den Vertrieb einen starken Partner gefunden: REWE bietet in Bayern und Baden-Württemberg deren Frischmilch, Käse, Joghurt und sogar H-Milch an. Weitere Bundesländer folgen. Übrigens, im örtlichen Brauerei-Gasthof Schäffler gibt´s natürlich auch Hofmilch-Produkte

Der Bauernhof 4.0

Auch Markus Hefele aus Hopferau ist seiner Heimat verbunden. Um den Hof zu erhalten, hat er einen ganz modernen, lichten Stall gebaut. Seine 60 Kühe kennt er mit Namen, trotz Melkroboter und Futterautomat. Markus bewegt sich in der Herde, erzählt von den Eigenheiten und Lieblingsplätzen seiner Kühe. Sie dürfen nun zum Melken, wann sie wollen – nicht mehr wenn der Bauer will. Ein Zugewinn für die Tiere.  Mit der neuen Technik fällt es der ganzen Familie leichter sich um den Hof zu kümmern. Die Kühe und Kälber stehen nach wie vor im Mittelpunkt, aber es bleibt mehr Zeit für den Einzelnen. Und beruhigend zu wissen für Markus: Er kann jederzeit, auch im Urlaub in Malaysia, über das Smartphone schauen, wie es seiner Anne, seiner Elke, seiner Leni und all den 57 anderen geht.

 

Fendt – HighTech für eine Kulturlandschaft

Fendt – der Allgäuer Traktorenhersteller, zeigte vergangenen Freitag seine neuesten Entwicklungen. Darunter auch einen E-Fendt 100, dessen Batterie im Allgäu bestens mit Sonnenstrom geladen werden kann. Denn es gibt wohl kaum einen Landwirt, der nicht Strom auf seinem Dach erzeugt. Zukunftsweisend im Allgäu ist die Digitalisierung. Nicht nur Markus Hefele nutzt sie auf seinem Hof. Schon ab Januar 2018 sollen 100 Mitarbeiter in Marktoberdorf sich ausschließlich mit der Digitalisierung und der Entwicklung von Zukunftstechnik befassen, Hightech im Allgäu. Was Fendt nun angeht, praktiziert Andreas Eggensberger schon lange: Er hält für seine Gäste und Mitarbeiter eine Flotte an E-Autos bereit. Und fährt gut damit: Der Strom kommt vom Dach und die Autos dienen als intelligente Stromspeicher.

Bauernhofmuseum Illerbeuren und Viehscheid – die Sehnsucht nach der Ursprünglichkeit

Im starken Kontrast dazu standen die Handwerkertage im Bauernhofmuseum: Hier wurde nicht maschinell gearbeitet, sondern tatsächlich geackert. Helmut Brader vom Heimatdienst Illertal e.V. und Museumsbauer zeigte mit seiner Bina und Dori was hü, hott, wüst (gesprochen: wüescht) und auf bedeutet (hott: vorwärts, hü: rechts, wüscht: links, auf: rückwärts). Es bedarf nur weniger und leiser Worte, um gut zusammenzuarbeiten. Ursprünglichkeit, einfaches Leben, das ist im Museum erfahrbar.

Ob Pferd oder Traktor – beides dient der Lebensmittelerzeugung.

Und hier spielt ein Allgäuer Unternehmen eine wichtige Rolle in der Naturkost. Neben Rapunzel, dem Bio-Pionier, sondern AOT – All Organic Treasure aus Kempten.  Sie produzieren Bio-Öle und -Fette als Grundstoffe für Naturkost und Naturkosmetik. Und die Sonnenblumen ließen Fabian Breisinger, Inhaber und Tüftler, nicht in Ruhe: Ging vorher der wertvolle Presskuchen aus Sonnenblumen als Tierfutter an die Bauern, ließ er die Sonnenblumen über eine spezielle Mühle fahren, so dass ein hochwertiges, proteinreiches Produkt in einwandfreier Lebensmittelqualität entstanden ist. Nun bietet Fabian Breisinger einen hochwertigen Ersatz für Tofu an. „Mit Hilfe von technologischen Änderungen konnten wir durch schonende Herstellung auch pflanzliche Proteine mit wertvollen Pflanzenstoffen gewinnen.

Sonnenblumenprotein Heliaflor statt Tofu – ein Allgäuer Produkt

Unter der Marke „Sunflower“ gibt es eine Sonnen-Blumen-Pilzpfanne, -Bolognese,- ChiliSinCarne und das reine Sonnenblumenhack. Letzteres mit Kakao gemischt und AOT-Lein schmeckt übrigens richtig gut im Müsli.  Diese ganz neuen, innovativen Produkte sind eine echte Bereicherung für Veganer, wie Bloggerin Sabrina Fischäß,  vegetastisch.de erklärte. Denn Veganer essen im Prinzip ja Soja in Soja in Soja und da sind Sonnenblumen-Proteine eine echte Bereicherung.

Was aber alles dieser Markt hergibt, zeigte eindrucksvoll Rapunzel Naturkost:

Ob Soja, Palmöl, Trockenfrüchte oder Kakao, mit besten Gewissen dürfen Produkte verzehrt werden, wenn sie denn nachhaltig sind: Das fängt beim ökologischen Anbau an, der fairen Bezahlung der Bauern und endet in der nachhaltigen Verpackung und Energiewirtschaft.  Joseph Wilhelm hat hierfür mit dem Eine Welt Festival ein Forum  geschaffen, der diese Produktionskette in den Vordergrund stellt.

Eine Welt Festival bei Rapunzel Naturkost

Das Festival zeigt die Botschafter vom Feld, in ihrer Ursprünglichkeit. Der Aprikosenbauer aus Anatolien darf seine getrockneten Früchte selbst an die Besucher verteilen. Afrikanische Bauern zeigten ihre Kakaobohnen und der Olivenbauer aus Griechenland erzählte von den verschiedenen Sorten. Auch entspann sich eine rege Diskussion zwischen der eigens fürs Festival geladenen Fachfrau Dr. Tanja Busse, einer Landwirtstochter aus dem Norden und der Bio-Bäuerin Monika Mayer: Es ging um die Kuh, provokant ausgedrückt im Buchtitel von Dr. Busse „Die Wegwerfkuh“. Das Buch rüttelt auf und die kleinbäuerlichen Strukturen, dazu Initiativen und Unternehmergeist wie die Allgäuer Hof-Milch wirken diesem Trend entgegen. Mayer und Busse waren sich einig: Ursprünglichkeit kann erhalten bleiben, wenn man HighTech intelligent nutzt, das Tier aber im Mittelpunkt steht.

One World Award von Rapunzel und IOFAM – ein Allgäuer Vorzeigeprojekt

Rapunzel Naturkost, der Bio-Pionier aus dem Allgäu, ist auch Vorbild für Entwicklungsländer, wie Dr. Gerd Müller, amtierender Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, bemerkte. Müller betonte, dass eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft die Lösung von Ernährungsfragen der wachsenden Weltbevölkerung sei. Denn nur so sei eine Ausbeutung der Ressourcen vermeidbar, eine faire Bezahlung vor Ort und damit ein lebenswertes Umfeld in den Ländern möglich. Das Vorbild aus dem Allgäu mache schwächeren Ländern Mut, auch künftig ihre Nahrungsmitteln nachhaltig selbst zu produzieren. Man bewahre sie so vor großen Abhängigkeiten, belasse die Wertschöpfung im Land.  Müller fand klare Worte zur Verleihung fünften  „One World Award“, den das mittelständische Unternehmen gemeinsam mit der IOFAM – Organics International vergibt, dem Dachverband der weltweiten Bio-Landbaubewegung.

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