Erich Reitebuch, 48 Jahre alt und Schreiner aus Pfronten im Allgäu, ist leidenschaftlicher Schrauber, Bastler und Hobbyrestaurateur von allem was fährt. Schon in seiner Kindheit war nichts das nicht niet- und nagelfest war, sicher vor ihm. So mussten schon früher seine Mountainbikes oder Go-Karts dran glauben und blieben nicht vor seiner Tüftelei verschont. Der Liebe zum Schrauben geht er heute in seinem eigenen Schraubertempel direkt hinter der Schreinerei nach, wo er nach einem stressigen Arbeitstag so richtig abschalten kann. Dass der Allgäuer Mächler Benzin im Blut hat, beweist er immer wieder durch die Restauration alter BSA Oldtimermilitärmaschinen aus Großbritannien. Sein neuestes Projekt ist jedoch ein wenig ungewöhnlich. Ein altes schweizer Fahrrad mit Hilfsmotor, Baujahr 1954, aus dem Hause Motosacoche.
Rennräder, Elektrofahrräder und Pedelecs
„Rennräder, Elektrofahrräder und Pedelecs sind heutzutage in aller Munde, aber ein originales Motorvelo habe ich hier in der Gegend noch nie gesehen“ sagt er mit einem breiten Grinsen. Dabei ist das Allgäu ideal zum Radfahren geeignet. Es gibt überall ausgeschilderte Radwege, sowohl für eBiker als auch Radrouten fürs Rennrad. Wahrscheinlich liegt es aber einfach nur daran, dass es kaum mehr Fahrräder dieser Art gibt. Gefunden hat er dieses Schmuckstück auf der Veterama, Europas größtem Oldtimer Markt. Mit glänzenden Augen erzählt er: „Eigentlich wollte ich gar kein Fahrrad kaufen, sondern mich nur nach Ersatzteilen für meine Motorräder umsehen. Als ich das Motorvelo in seinem unfertigen Zustand dann aber so herumstehen gesehen habe, war es Liebe auf den ersten Blick und ich musste es einfach mitnehmen.“
Aufgrund des nun doch schon fortgeschrittenen Alters besaß der Motor natürlich noch ein paar Schwächen. Trotzdem ist das Fahrrad als Ganzes in einem verhältnismäßig sehr guten Zustand. Viele Teile sind noch im Originalzustand und sehr gut erhalten. Dazu zählen der Motor und der Dynamo, der auch nach über 60 Jahren immer noch einwandfrei funktioniert. Eine Lederfahrradtasche zum Verstauen der Radkarte, oder auch die Original Motosacoche Fahrradklingel.
Heutzutage nur noch wenige passende Ersatzteile
Für Räder wie diese gibt es heutzutage nur noch wenig passende Ersatzteile. Einige davon hat er auch schon selber gedrechselt, wie zum Beispiel passende Holzgriffe oder Fahrradlampen. Dass ihm das Schrauben und Tüfteln im Blut liegt, ist nicht ungewöhnlich. Schon sein Vater Franz war Handwerker aus Leidenschaft und schaut auch heute noch, mit knapp 90 Jahren, ab und an in der von ihm gegründeten Schreinerei Reitebuch vorbei. Auch die zukünftige Generation mit Sohn Linus hilft schon begeistert beim Restaurieren. Das Mächlertum ist aber im Allgäu keine Seltenheit. Pfronten dient schon seit Jahrhunderten Denker, Tüftler und Künstler den Ort als Inspirationsquelle. Hier waren sie frei von Zwängen der regulierenden Zünfte. Auch die Bauern waren von der Leibeigenschaft befreit. Und wo Freiheit herrscht, dort öffnen sich geistige Horizonte, entstehen neue gewagte Ideen und der Mut, diese in die Welt hinauszutragen.
Eine Werkstatt für solche Oldtimer gibt es nicht
Um den Motor wieder auf Vordermann zu bringen hilft dann aber auch kein Drechseln mehr. Eine Werkstatt für solche Oldtimer gibt es nicht. „Das ganze Wissen über diese Motoren habe ich mir selber aneignen müssen. Wenn man Oldtimer reparieren will, muss man manchmal auch einfach Glück haben, dass man die passenden Ersatzteile findet“ sagt Erich. Einen Ebay Glücksgriff später kann schließlich aber auch der Hilfsmotor angegangen werden. Hier ist besonderes Geschick und Geduld gefordert. Anders als beim normalen Fahrrad sind die Motorteile einfach schwer zu erreichen und es braucht ein gewisses Maß an Geduld, wenn beim zehnten Anschraubversuch wieder die Schraube abfällt. Aber dank der jahrelangen Erfahrung mit seinen Oldtimern, ist auch das Motorenproblem nach kurzer Zeit behoben. Schnell noch einen neuen Fahrradschlauch und Mantel aufziehen, denn auch hier hat die Zeit ihre Spuren hinterlassen, und das Motorvelo ist bereit um zusammengesetzt zu werden. „Der schönste Lohn für mich ist, wenn dann alle Teile ineinander greifen und das erste Mal der Sound des Motors durch die Werkstatt schallt. Dieses Dröhnen ist einfach nicht mit dem von heutigen Mofas oder ähnlichem zu vergleichen. Das alles mit den eigenen Händen zusammengesetzt zu haben erfüllt mich jedes Mal wieder aufs Neue mit Stolz und viel mehr noch, macht mir einfach einen riesigen Spaß.“
Zeit für einen Ausritt
Nachdem mit der Hilfe von Sohn Linus alles zusammengebaut wurde, ist es dann endlich Zeit für einen Ausritt im verschneiten Pfrontener Tal (siehe Videos unten). Bis auf den leicht erhöhten Lärmpegel gibt es keine Probleme mit dem Fahrrad und die ersten Schaulustigen sprechen ihn direkt auf sein neues Fahrrad an. Hier ist er voll in seinem Element und plaudert gerne aus dem Nähkästchen. Dabei gerät Erich schon ins Schwärmen von der ersten Tour mit seinem neuen Prachtstück. „Vielleicht wird’s ja mal eine etwas längere Radtour geben, am besten durch die Heimat.“ Dafür bietet sich im Allgäu die Radrunde Allgäu geradezu an. Ein 450 km langer Radfernweg quer durchs Allgäu und für jedermann individuell befahrbar.