Allgäuer Alpenblog

Kulinarik im Allgäu. Die Metzgerei Sontag in Kißlegg – Besuch beim Rock’n’Roll-Metzger

Philipp Sontag führt die Schlachterei Sontag in Kißlegg im Allgäu.

Die kulinarische Kompetenz des Allgäus. Wir besuchen Orte, die eine Entdeckung für Genießer sind. Restaurants, Cafés, Bistros, Produzenten, die auf ihre Weise für gute Küche stehen. Zum Beispiel die Metzgerei Sontag in Kißlegg. Seit 1848 gibt es diesen Traditionsbetrieb, in sechster Generation wird er von Philipp Sontag geführt. Wir treffen einen Rock’n’Roll Metzger…

 

 

„Ich bin Metzger und Tierschützer“, sagt Philipp Sontag, „für mich ist das kein Widerspruch.“ Ein kräftig gebauter Kerl, Basecap, schwarzes T-Shirt, roter Bart, der linke Arm tätowiert. Der Mann, der wie ein Rocker aussieht, zählt zu den Vorreitern einer Bewegung, die zur Zeit viel Aufmerksamkeit erfährt. Man propagiert den respektvollen Umgang mit dem geschlachteten Tier. Und bietet eine besondere Fleischqualität an.

Ein Metzger mit viel Respekt für das Tier

„From head to toe“ – deutsch: Von der Nase bis zum Schwanz – fordert ein, dass man etwa von einem Rind nicht nur die Filets und Steaks verarbeitet, sondern möglichst das gesamte Fleisch verwertet. Dafür sind teils ganz andere Schnitte erforderlich, als ein Metzger üblicherweise lernt. Und noch etwas unterscheidet den modernen Fleisch-Freund von manchem Großbetrieb: Man zollt Respekt dem lebenden Tier. „Untersuchungen belegen, dass auch Transport- und Schlachthaus-Stress großen Einfluss haben auf den Geschmack des Fleischs.“

 

 

Als Philipp Sontag vor einigen Jahren den Betrieb seines Vaters übernahm, erkannte er schnell: Es ist kaum möglich, mit klassischen Metzgerei-Produkten, mit Wurst und Fleisch, gegen Supermärkte und Discounter zu bestehen. Handgemachtes müsste deutlich teurer sein als Industrie-Ware. Den Kunden fehlt aber die Bereitschaft, solche Preiserhöhungen mit zu machen, erst recht wenn billige und teure Wurst sich optisch kaum unterscheiden. Sontag macht das Dilemma an den Preisen für Konsumgüter fest. Während sich etwa die Preise für einen VW-Golf von Mitte der 1970er Jahre bis heute versechsfacht hätten, müsse man für ein Filet nicht einmal doppelt so viel bezahlen wie einst. Es ist eine Klage, die viele Experten teilen: Fleisch ist viel zu billig.

Der Fleischsommelier bei der inoffiziellen WM

Auf der Suche nach einer Nische entdeckte Sontag die Grill-, bzw. Barbecue-Szene. Er begann, sich mit ihren Ansprüchen zu befassen, lernte neue Schnitte, studierte wie ein Besessener den Körperbau der Tiere. Heute kann er aus dem Stegreif Vorträge halten über die „Anatomie des Bindegewebes“. Er schreibt als Fleischkunde-Redakteur für ein Grill-Magazin, zählt zu den ersten Fleischsommeliers in Deutschland und stand im März 2018 für die deutsche Mannschaft bei der World Butcher’s Challenge in Belfast im Wettbewerb. Bei dieser inoffiziellen WM reichte es immerhin zu einer lobenden Erwähnung.

 

 

„Wer keine Ansprüche an sich selbst hat, der ist leicht zufrieden zu stellen“, so erklärt Philipp Sontag seinen inneren Antrieb. Und die Leidenschaft für seinen Beruf. Dabei nimmt er es gern hin, dass man allein dadurch schon für manche ein Exot ist. „Ich liebe, was ich tue.“ Sieht er sich in seiner Existenz nicht bedroht von zeitgemäßen Trends – dass etwa in Großstädten immer mehr vegetarische und vegane Restaurants eröffnen und erfolgreich sind? Der Rock’n’Roll-Metzger schüttelt energisch den Kopf. „Teilzeitvegetarier sind meine Lieblingskunden. Zu einem vernünftigen, artgerechten Umgang mit unseren Tieren gehört für mich als Metzger, dass man nicht jeden Tag Fleisch isst.“

 

 

Service

Rock’n’Roll. Die Metzgerei Sontag bietet auch Fleisch-Workshops an.

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