Blaumachen, backen, weben: Wohl nur das Backen ist heute noch in unserem Alltag geläufig. Im 19. Jahrhundert jedoch und teilweise bis 1960 war es in Allgäuer Familien üblich, zu weben, zu käsen, zu spinnen. Die Männer konnten mit der Axt gleichermaßen umgehen wie mit der Sense. Es klapperte, es roch, es rief der Kesselflicker und der Besenbinder. Gänse schnatterten, der Hahn krähte mit seinem Nachbarn um die Wette und aus der Schmiede drang der metallene, regelmäßige Schlag. All das hört, riecht, sieht man seit 39 Jahren bei den Handwerker Tagen im Bauernhofmuseum Illerbeuren. Sie finden immer am zweiten Septemberwochenende statt.
Ob Hufeisen, Nägel, Pfannen, der Schmied war ein wichtiger Handwerker. Heute ist seine Fertigkeit als Huf- oder Kunstschmied immer noch gefragt. In der Schmiede im Bauernhofmuseum erzählt Franz Berchtold, welches Eisen er im Feuer liegen hat. Anders ist es am Webstuhl. Diese standen bei den Leinwebern früher in feuchten Räumen, denn dann war das Leinen leichter zu bearbeiten. Sebastian Kneipp war einst diese Arbeit bestens vertraut. Die Weberei brauchte die Familie, denn allein von der Landwirtschaft konnten sie nicht leben. Sebastian Kneipp entwickelte übrigens aus dem kargen Leben heraus sein Naturheilverfahren, das einzig anerkannte und nun Immatrielles Kulturerbe. Der Landkreis Unterallgäu trägt ihn im Namen, Kneippland Unterallgäu.
Seit drei Generationen webt Familie Schatz aus Heimertingen Teppiche auf ihren 24 Handwebstühlen nach alter Tradition aus Leinen, Stoff und Wolle. Die Wolle kommt aus dem Allgäu und benachbarten Alpenregionen. Aus Flachs, eine der ältesten Nutzpflanzen, werden Leinentücher und -Teppiche. Aus Baumwolle und Stoffstreifen können sie noch als ein der wenigen Hersteller noch Allgäuer Fleckerlteppiche fertigen.
Seilerei – vom Handwerk zum internationalen Unternehmen
Seit Anbeginn gestalten Mitglieder des Heimatdienst Illertal e.V., aus dem das Schwäbische Bauernhofmuseum Illerbeuren hervorging, die Handwerker Tage mit. Ob aus Seegras Schuhe flechten, ob alte Möbel mit Stroh polstern, Besen binden, Bücher binden oder Schützenscheiben malen.
Was ich persönlich sehr schätze, ist das Renate Pfeifer als Seilerin zeigt, wie man aus Hanf Seile dreht. Die ganze Familie ist involviert. Ja richtig, es ist die Firma Seil- und Hebetechnik aus Memmingen. Sie kann es noch, das Handwerk. Und ist heute ein weltweit tätiges Unternehmen. Die Nebelhornbahn in Oberstdorf hängt an einem Pfeifer-Drahtseil. Das Olympiadach in München wird getragen durch Seile des Memminger Unternehmens, ebenso wie die Fußball-Stadien in Südafrika.
Buchbindemeisterin Pia Mayr – schon als Kind wurde sie vom Vater zu den Handwerker Tagen mitgenommen. Auch wenn heute viele digital unterwegs sind, nichts ist schöner als eine individuelle, handgebundene Mappe. Buchdruck hat Tradition bei der Familie Mayr, schon seit 120 Jahren gibt sie den Kirchenanzeiger heraus. Heute hat sich Palette natürlich erweitert, viele Allgäuer tragen deren Allgäu-Shirts.
Den beiden Spinnerinnen zuzusehen, entspannt. Eine ruhiges Handwerk mit angenehmen Material und Zeit zum erzählen oder auch innehalten. Wie wertvoll in unserer getriebenen Arbeitswelt, in der nicht mehr wir das Tempo bestimmen. Auch in der Webstube ist Zeit zum Hoigarte.