Allgäuer Alpenblog

Handgemacht: Sattlerin aus Leidenschaft

Marlies Bek
Eine Allgäuerin im Männerberuf aus Liebe zum Handwerk: Marlies Bek liebt Leder. Und das merkt man ihren Stücken an. Alle handgemacht. Ich bin begeistert von ihren schlichten Handtaschen, von ihren individuellen Gürteln, von allen Arten an Taschen. Kennengelernt habe ich sie auf Handwerkermärkten in der Umgebung und habe sie mittlerweile schon mehrfach in ihrer Werkstatt in Legau bei Memmingen besucht. Als Sattlerin verarbeitet sie heimisches Leder natürlich nicht nur zu Sätteln.
Sättel, Halfter, Taschen, Gürtel

Neuanfertigungen nach historischen Vorlagen sind auch dabei. So braucht das historisches Ensemble neue Geschirre mit Zierbeschlägen für die Pferde, eine angehende Medizinerin will eine handgemachte Arzttasche. Solche Aufträge sind wie gemacht für die  ausgebildete Reitsport-Sattlerin Marlies Bek. Gern entwirft sie aber auch gleich einfach ein ganz neues Unikat. „Ich schaff‘ wirklich sehr gern mit de‘ Händ‘‘, sagt die 57-jährige überraschend zierliche Frau mit den wild hochgesteckten Haaren. Das Ergebnis stapelt sich in den Regalen in einer Nische ihrer Werkstatt: Zahllos viele Taschen, Geldbeutel, Schlüsselanhänger, Würfelbecher, Untersetzer und Kinderschuhe stehen da. Auf den Tischen liegen Rucksäcke, schlanke und bauchige Beutel – teils glatt, teils rau, teils mit Kuhfell oder schönen Verschlüssen. Ringsherum an den Wänden hängen Lederhosen, Gürtel, Geschirre, Pferdehalfter und breite Kuhglockenriemen. Alles selbst entworfen, zugeschnitten, aufbereitet und das meiste natürlich von Hand genäht.

Präzision vereint mit kreativer Schaffenskraft
Als ich komme um für meine Enkelin feine weiche Lederschuhe zu erwerben, arbeitet Marlies Bek an einem aufwendigen Zier-Geschirr einer Pferdetrense. Stich für Stich zieht sie im immer gleichen Rhythmus den Faden mit leicht versetzten Löchern durch das Leder, bis eine reißfeste, sogenannte Sattlernaht entsteht.  Diese Art des Nähens erfordert Kraft:  Für besonders dicke Riemen oder das Stopfen von Sätteln braucht man in diesem Handwerk in den Armen richtig Kraft. Aber auch in den Fingern. Mit der Näh-Ahle, einem Minischwert mit Griff, drückt sie  erst ein Loch durch das Material, bevor sie mit zwei Nadeln gegenläufig das Leder durchzieht. So lange, bis alles durch den gewachsten Faden fest miteinander verbunden ist. So hat sie es gelernt. Zu allererst von ihrem Nachbarn. „Mein Vater hatte Pferde. Wenn was kaputt gegangen ist, bin ich immer mit zum Nachbar, der konnte das reparieren“, erzählt Marlies Bek.

Vom Allgäu nach München, von der Hauswirtschaftsmeisterin zur Sattlerin

Eine Ausbildung zur Sattlerin kam für das junge Mädchen nach der Schule leider erst mal nicht infrage. Männerberuf. Keine Lehrstellen in der Gegend. Erst sollte sie Hauswirtschafterin lernen – das wurde gebraucht. So arbeitete sie fast zehn Jahre lang erst auf dem Hof ihrer Eltern, dann als Meisterin im Nachbardorf in einem Behindertenheim. So richtig glücklich war sie damit nicht: Der Bürojob und die viele Arbeit am Schreibtisch und am Telefon laugte sie aus: „Ich wusste immer, ich tät viel lieber was mit den Händen machen.“ An einem sonnigen Tag im Mai, nach dem Besuch bei einem Schmied, fasste die damals Anfang 30-jährige Marlies Bek einen Entschluss: „Ich werde Sattlerin.“ Kurz darauf kündigte sie ihren Job, trennte sich von ihrem Partner, kaufte sich ein Motorrad, ließ sich ein Tattoo stechen, hatte viel Kontakt zu Handwerkern auf der Walz und machte anschließend eine Umschulung – zur Sattlerin für Reitsportzubehör. Mitten in München bei Max Benz zwischen fünf Männern kämpfte sie sich drei Jahre lang bis zum Gesellenbrief durch. „Man musste mir Bretter vor die Arbeitstische legen, damit ich höher stand und überhaupt arbeiten konnte – ich war eigentlich ein bisschen zu kurz für den Beruf“, erzählt sie lachend von ihren Lehrjahren. Mit ihrem Geschick beim Nähen machte sie die fehlenden Zentimeter wieder wett: „Das hat mir vieles erleichtert.“ Das Stopfen und Aufpolstern von Sätteln war trotzdem ein schweißtreibender Job. Marlies Bek biss sich eisern durch. „Ich wollte das schaffen. Und es hat geklappt.“

Taschen, Kinderschuhe, Halfter und Reparaturen

Heute ist sie in ihrem Heimatdorf nahe Memmingen mit deutlich filigraneren Aufgaben beschäftigt. Einen ganzen Sattel, wie in ihrer Lehre, macht die selbstständige Handwerkerin in ihrer Werkstatt nicht. „Ich polstere nur noch auf und repariere. Die Leute kommen eher mit Spezialaufträgen zu mir.“ Bei diesem Satz guckt sich Marlies Bek kurz um und greift dann vorbei an reparaturbedürftigen Reitstiefeln und einem gerissenen Halfter nach einem Sonnenschutz eines Oldtimers. „Hier nähe ich ganz sauber um die Kurve“, erzählt sie und zeigt die nur Millimeter vom Rand entfernte Naht. „Das ist aufwendig.“ Solche Aufträge lohnen sich freilich nicht, wenn man die vielen Stunden zusammenrechnet. „Das macht mir aber einfach Spaß.“ Echte Leidenschaft eben. Im Fall von Marlies Bek für wohlriechendes und geschmeidiges Leder in lauter nützlichen Funktionen.

Die Werkstatt: nahe Memmingen, nahe der Radrunde Allgäu oder der Wiesengänger Route und der Freilichtmuseen
Die Sattlerin Marlies Bek hat ihre Werkstatt in Oberlandholz 229, 87764 Legau, Telefon 08330/1027, Öffnungszeiten nach Vereinbarung. Die Werkstatt liegt nahe der Etappe 8 auf der Wiesengänger Route der Wandertrilogie Allgäu. Die Etappe endet im Schwäbischen Bauernhofmuseum Illerbeuren, wo noch mehr altes Handwerk zu sehen ist. An den Handwerkertagen (stets das zweite Wochenende im September), kann man Marlies Bek über die Schulter schauen. Auch Leutkirch mit dem historischen Glasmacherdorf Schmidsfelden ist nur wenige Kilometer entfernt und liegt auf der Wiesengänger Route der Wandertrilogie Allgäu (Etappe 9). Auch hier ist Handwerk lebendig. Am ersten Sonntag im Oktober findet das Glashütten- und Weideochsenfest statt.

Kostenloses Kartenmaterial und das Serviceheft der Wandertrilogie ist erhältlich bei der Urlaubsregion Allgäu, Tel. 08323/ 8025931, info@allgaeu.de sowie Termine und Infos unter www.allgaeu.de

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