An Ostern 2020 galt Zeit als das teuerste, weil knappste Gut gerade innerhalb der Familien. Work-Life-Balance, Achtsamkeit, auch Overtourism prägten die Diskussionen. Innerhalb von Tagen ist die Situation umgeschlagen. Das Familienleben rückt wieder in den Mittelpunkt, es bleibt Zeit aufzuatmen. Zeit für Spaziergänge, Spiele spielen, daheim kreativ werden. Und ein Osterei zu bemalen. Auch 2022 wieder.
Zeit für kreative Versuche: Ostereier mit Sehnsuchtszielen bemalen
Der Anspruch ist natürlich gestiegen, einfache Muster gelten nicht mehr. Ein jedes Osterei anders. Doch so viel gibt unsere Kreativ-Ausstattung nicht her: Der Malkasten stammt noch aus der Schulzeit, inklusive der stark abgenutzten Pinsel. Um überhaupt ins Malen zu kommen, übe ich zunächst auf einem Block. Ich würde ja gerne eine Gartenvogel malen. Geht gar nicht – viel zu fein! Oder unsere Katzen, doch auch die gelingen mir nicht. Dann eben nur Berge. Und wenn dann ein solcher, dessen Spitze ich noch nicht erstiegen habe. Das wäre die Höfats und die Trettachspitze. Gipfel vor denen ich Respekt habe und vor denen ich schon umgekehrt bin. Also dann male ich sie halt aufs Osterei. Eine gute Vorlage finde ich im Buch „Allgäu Panoramen“ von Gerald Schwabe.
Osterei – der Rohling
Gut dass wir ausreichend Eier zu Hause haben. Seit Jahren kaufe ich die VonHier-Eier. Sie stammen vom sogenannten Zweinutzungshuhn, d.h. es wird sowohl die Henne als auch der Hahn aufgezogen und damit keine Küken geschreddert. Die Eierschale des Zweinutzungshuhn ist übrigens cremefarben, ein schöner Hintergrund. Aber auch die Allgäuer Hühnermobile bieten Eier an. Zunächst also piekse ich die Eier an und vergrößere dann den Einstich mit einem metallenen Spieß. Mit Gefühl wird nun das Ei ausgeblasen. Die Eier werden anschließend fürs Kräuter-Omelette verwendet.
Osterei mit Trettachspitze, Gipfelkreuz und Bartgeier
Das Motiv fürs Osterei steht fest. Die Vorlage ist vorhanden. Doch zu einem Gipfelerlebnis gehört auch das Gipfelkreuz und zur perfekten Abrundung die Sichtung eines Adlers oder noch besser, eines Bartgeiers. Daher versuche ich auch diesen zu malen, was natürlich in keinem Verhältnis steht. Egal, ich bin zufrieden und freue mich: Der Frühling ist da, die Bergsaison steht an. Los geht es mit Touren in die Allgäuer Berge – vielleicht ja mal mit einer Bergschule, um doch noch die Trettachspitze zu besteigen.
Osterei – ein alter Brauch
Das Ei gilt in der christlichen Theologie als Symbol der Auferstehung. Eigentlich nicht verwunderlich, stellt sich doch die Frage, wer war zuerst da, die Henne oder das Ei? In der Marienverehrung verweist das Ei als Motiv auf die jungfräuliche Geburt. Die Kirche segnet seit dem 12. Jahrhundert Eier. Im 13. Jahrhundert sind im deutschsprachigen Raum gefärbte Eier bekannt – sie sind also gleich alt wie das älteste Jesukind der Welt, welches erstmals im Allgäu gefertigt wurde. In der Ostkirche wird bis heute noch vorwiegend rot gefärbt als Verweis auf das Blut Christi. Das Verschenken von gefärbten Ostereiern hatte übrigens einen ganz handfesten Hintergrund: In der Fastenzeit – die im Allgäu immer noch mit dem Brauch der Funkenfeuer eingeleitet wird – sind unter anderem Eierspeisen verboten. Im Frühjahr aber legen Hennen gut. Und so wurden sie zur Haltbarmachung gekocht und nach Datum verschieden gefärbt. So hatte man an Ostern verschieden gefärbte Ostereier. Außerdem wurde der früher übliche Pachtzins in Form von Eiern ausbezahlt. Es gab den Osterzins.
Bald alle Religionen ehren das Ei
Kunstvoll bemalte Eier sind allerdings keine Erfindung des Christentums. Schon die Ägypter bemalten Eier, ebenso im historischen Mesopotamien oder auch im Iran. Dem Ei kommen in allen Religionen eine besondere Bedeutung zu. Zur wahren Kunst haben allerdings die Sorben – eine heute katholische Minderheit in der Lausitz – das Bemalen der Ostereier erhoben. Aber uns reicht erst einmal: Wir hatten Spaß! Mein Mann hat VW-Bullis auf Eier gemalt, unsere Tochter wie ich heimatliche Motive und unsere Söhne grafische Muster appliziert. Insofern war dieser Sonntag vielleicht eine Rückbesinnung nach einer langsameren Welt, wie sie auch der Zukunftsforscher Horx beschreibt.