Wir feiern den berühmten Allgäuer – und machen uns auf die Suche nach der Wirkkraft, die die Lehre von Sebastian Kneipp heute noch hat. Dafür bereisen wir ausgewählte Orte im Allgäu. Zum Beispiel: Bad Grönenbach. Und wir fragen uns: Was macht wahre Gastfreundschaft mit uns?
Als kapriziös wird der Frühsommer 2021 in die Annalen der Wettergeschichte eingehen. Ein ständiger Wechsel der Extreme. Sonne und Hitze, Kälte und Gewitter. So bringt uns das Wetter um einen Moment, auf den wir uns gefreut hatten – um eine frühmorgendliche Yoga-Stunde im Kurpark von Bad Grönenbach. Und beschert uns mit einem Privileg: Denn Yoga-Lehrerin Barbara sagt die Session nicht etwa ab, sie bestellt uns in das Hohe Schloss. Die im 12. Jahrhundert erbaute Burg überragt markant den Ort. Seit 1996 befindet sich das Schloss im Besitz der Gemeinde. Ausstellungen werden hier gezeigt, Ehen geschlossen. Wir gehen in einem der Säle mit Blick über das Land in den herabschauenden Hund. Und Barbara sagt: „Jetzt gönne deinem Gesicht ein Lächeln.“
Es macht Sinn, sich mit Großzügigkeit zu befassen. Und mit Gastfreundschaft
200 Jahre Kneipp. Auf der Suche nach der Bedeutung, die die Lehre von Sebastian Kneipp heute noch hat, sind wir im Unterallgäu angelangt. Grönenbach wird im Jahr 1099 erstmals erwähnt. Seine wechselhafte Geschichte zeigt sich in Naturdenkmälern und historischen Bauwerken. Doch wir interessieren uns für einen sehr speziellen Aspekt: Im Jahr 1844 ermöglicht ein hiesiger Pfarrer, dass für Sebastian Kneipp ein Traum wahr wird. Denn der wollte als Kind schon Theologie studieren. Doch der Familie fehlte das Geld. Bis er dann dank der Unterstützung zum Gymnasiasten wird. Im Alter von 23 Jahren! Will man eine Antwort finden auf die Frage „Was hat uns Kneipp heute noch zu sagen“, macht es also durchaus Sinn, sich mit Großzügigkeit zu befassen, mit Gastfreundschaft und Mitmenschlichkeit.
Barbara Dopfer hat mit dem Yoga angefangen, weil sie sich selbst etwas Gutes tun wollte. Dann erkannte sie die Kraft der asiatischen Lehre, beschäftigte sich intensiver damit und entwickelte ihr Allgäuer Yoga. Es ist offen für Jung und Alt, es hat Humor, es ist weiblich – aber auch für Männer geeignet – und es feiert die Freude an der Bewegung. So lässt uns Barbara mal durch den Raum hüpfen und dabei Grimassen schneiden, sie lässt uns laut schreien („Noch lauter!“). Und dann liegen wir zum Schluss auf der Matte und spüren in uns hinein. Draußen prasselt der Regen gegen die Fenster des Hohen Schlosses. Es fühlt sich großartig an.
Hält jung – die Kraft der Kräuter und die Dankbarkeit
Glaube, Spiritualität, Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft. Barbara lebt diese Werte und hat sie als Kind bereits in die Wiege gelegt bekommen. Wir treffen später ihre Mutter. Rita Dopfer ist eine dieser Kräuterfrauen, die es im Allgäu gibt. Wenn sie einen Spaziergang macht, sieht sie zu ihren Füßen mehr als wir. Sie sieht die Heilkraft der Natur: Frauenmantel, Giersch, Dost, Brennnessel. Rita Dopfer präsentiert diverse Kräuter, das eine hilft bei Frauenleiden, das andere bei Muskelbeschwerden, ein drittes bei Verletzungen der Haut. Sie schwärmt von Tees, Wickeln und Salben. Und man spürt wie sehr die Dankbarkeit für die Kraft der Natur auch jung hält.
Der kapriziöse Sommer kann aber auch ganz banal überraschen. Die geplante Radtour hatten wir eigentlich abgeschrieben. Doch dann grummeln die dunklen Wolken nur um uns herum, während wir erst zur spektakulären Hängebrücke über die Iller radeln und dann hinauf „Zur Schmerzhaften Mutter Gottes“. Die weithin sichtbare Barockkirche zieht Pilger aus vielen Ländern an. Auch solche wie uns, die mit einem E-Mountainbike kommen. Andächtig streifen wir durch das prächtig dekorierte Gotteshaus. Votivtafeln erzählen in einfachen Darstellungen von wundersamen Heilungen, von Rettungen in letzter Minute und von Gelübden. Über allem wacht das Gnadenbild der schmerzhaften Muttergottes. Unzählige Zeugen bestätigen, dass sich die Augen der Statue bewegt hätten, dass sie sogar geweint habe. Kerzen werden angezündet, Gebete gesprochen. Es gibt kaum einen Ort, an dem Dankbarkeit deutlicher zu spüren ist.
Ein hübscher Aussichtsplatz mit Blick auf das schöne Bad Grönenbach
Wir sind dankbar für die elektrische Unterstützung. Zwei knackige Anstiege sind zu bewältigen. Einmal geht es fast 16 Prozent steil bergan. Wir danken unserem Guide Tobias Klöck für die schöne Tour und die tollen Räder. Später sitzen wir mit unserem Picknickkorb im Kurpark und schauen der Sonne zu, wie sie Richtung Bodensee wandert. Bad Grönenbach hat uns Bewegung beschert, innere Einkehr, gute Nahrung, die Kraft der Kräuter und des Wassers – als wir nach der Radtour durch das Wassertretbecken staksten. Jetzt sitzen wir hier und erheben das Glas. Danke für die Gastfreundschaft.
Es tut gut, so viele verschiedene Eindrücke in kurzer Zeit sammeln zu können, so viele besondere Begegnungen. Bad Grönenbach zeigt sich dabei ganz uneitel als große Bühne. Mal zur Erkundung der umliegenden Landschaft, mal zur Auseinandersetzung mit sich selbst. Das erfüllt uns am Ende mit großer Dankbarkeit für einen kleinen Ort, der sich auf besondere Weise seines Erbes besinnt.
Service:
Die richtige Balance. Für Körper, Geist und Seele – mehr dazu auf der Website von Bad Grönenbach.
Das Unterallgäu erfahren. Mit diesen Radtouren, die eigens für den Ort entwickelt wurden.
Kneipp und Yoga? Barbara Dopfer will in ihrem Yogarten eine Körper- und Lebenshaltung vermitteln.