Allgäuer Alpenblog

Allgäuer Idyllegarten-Route – Königlich Wandern im Schlosspark

Erste Etappe: Kaufbeuren – Obergünzburg

„Grüß Gott“ – so höre ich die Dame auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu mir sagen. Sie spricht es nicht laut, eher leise, fast schon bedächtig. Aber ich verstehe sie gut, die uns trennende Straße ist schmal. Hier in der Kaufbeurer Altstadt ist nichts Laut, von Hektik nichts zu spüren. So wandle ich durch schmale Gassen, die nicht mal breit genug für Autos sind. Jahrhunderte alte Häuser säumen meinen Weg zum Kloster, in dem in der ersten Hälfte des 18. Jhd. die Heilige Crescentia lebte und wirkte. „Wer Durst hast komme zu mir“ steht über einem Brunnen direkt an der weißen Klostermauer. Eine Einladung, die ich gerne annehme.  Meine mit frischem Quellwasser gefüllte Trinkflasche noch in der Hand, stehe ich unvermittelt vor einem Tor. Fast hätte ich ihm keine Beachtung geschenkt, wäre gedankenverloren daran vorbeigelaufen, wenn mich das Quietschen des Tores nicht zum Halten gebracht hätte.

Ich trete durch das Tor und finde mich unerwartet in einem Gartenparadies wieder. Der Berggarten der Franziskanerinnen des Crescentiaklosters ist eine Oase der Ruhe und Besinnung. Mit über die Dächer der Stadt schweifenden Blicken sitze ich da, ganz im Hier und Jetzt und will doch gleich weiterziehen. Auf einem Schild lese ich „Gottes Kraft geht alle Wege mit“. Weit weg erscheint mir alles Profane auf meinem Weg zum Kloster Irsee, in dessen ehemaliger Klosterkirche sich die Kanzel in Form eines Schiffsbugs mit Mast und Segel zeigt. Das prunkvolle Bauwerk mit wechselvoller Vergangenheit entlässt mich in Wälder und Felder, durch die ich meinem Tagesziel Obergünzburg entgegen wandle.

 

Zweite Etappe: Obergünzburg – Aitrang

Sich Aufmachen, in ferne Regionen wandern – eine unstillbare Neugier verbunden mit Fantasien, die aus Abenteuerlust und Romantik entstehen. Ein Gefühl, das ich nur allzu gut kenne. Gleichwohl habe ich für mich die Erfahrung gemacht, dass das Unterwegssein in der Fremde den Blick auf die Heimat verändert. Was wohl Karl Nauer zu berichten hätte, den sein Weg aus Obergünzburg hinaus in die Südsee führte? In seinem Geburtsort stehen Heimatmuseum und seine bemerkenswerte Südsee-Sammlung Seite an Seite und erzählen davon, wie zunächst gegensätzlich Erscheinendes zueinander finden kann. Als ich an der Pfarrkirche St. Martin vorbeiwandere, sieht der Heilige Christophorus, Schutzheiliger der Reisenden, auf mich hinab. Zufall, Fügung?

Um mich herum erstreckt sich eine Landschaft, in deren sattem Grün das Gelb von Löwenzahnblüten millionenfach leuchtet. Während sich meine Füße mit Leichtigkeit über die fast ebenen Wege bewegen, folgen meine Blicke den sanften Hügeln. Alles scheint im Fluss, entspannt gebe ich mich meinen Tagträumen hin. Im Städtchen Aitrang beschließe ich meine heutige Etappe an der Friedenslinde. Während ich sie betrachte, kommt mir der Reisende Karl Nauer in den Sinn. Im Gegensatz zu ihm hat sich der Baum seit Jahrhunderten keinen Meter bewegt. Was er wohl alles zu berichten hätte!?

 

 

 

Dritte Etappe: Aitrang – Leuterschach

Ehe ich in meinen Wandertag starte, lädt mich „meine“ Friedenslinde ein, noch einen Moment zu bleiben. Aus der Bäckerei nebenan zieht der Duft frischen Backwerks und Kaffee in meine Nase. Ich habe es nicht eilig, setze mich und betrachte vor mir den alten Baum. Bemerkenswert gerade steht die Linde, mit knorriger Rinde zwar, aber mit zarten, in der Sonne leuchtenden Blättern. Jahraus, jahrein das gleiche Spiel, seit hunderten von Jahren. Unermüdlich, inzwischen alt und würdevoll, aber sogleich auch verwundbar. Der Baum zeigt Haltung und lässt diejenigen daran teilhaben, die sich Zeit nehmen. Was bei einem Baum offensichtlich sein kann, bleibt beim Betrachten eines Moores im Verborgenen. Das langsame Werden zu dem, was es mal sein wird oder bereits geworden ist, sind Zeitspannen, bei der ein durchschnittliches Menschenleben wie ein Wimpernschlag wirkt.

Ich folge einem Holzbohlenweg durch das Moor zum Elbsee, an dessen Ufer ich mich niederlasse. Meine Blicke gleiten über blaues Wasser und grüne Wiesen in die Ferne, wo sich die grau-weißen Felsen der Alpenkette in den Himmel strecken. Wie gut, dass der Wert dieses sensiblen Ökosystems erkannt wurde und es hier im Rahmen der Allgäuer Moorallianz nachhaltig geschützt wird, denn die mystisch anmutenden Moore gehören zum Allgäu wie die geschwungenen grünen Wiesen. Ich wandere durch das faszinierende Dümpfelmoos nach Geisenried. „Gemischtwaren-Handlung“ lese ich an einem Haus nahe der Kirche. Mein Eintreten in den kleinen Laden ist wie eine Reise in die Vergangenheit, als jedes Dorf noch seinen kleinen „Tante-Emma-Laden“ hatte. Unschwer als Wanderer auf der Durchreise erkennbar, bekomme ich von der Inhaberin spontan einen Kaffee spendiert. Köstlich schmeckt er mir und Ihre kleine Geste wird zu einer Freude, die mich entlang der Wertach nach Leuterschach begleitet.

Vierte Etappe: Leuterschach – Marktoberdorf (WTA)

Bequem habe ich es mir gemacht auf des Voglerwirts Terrasse. Ich schaue zur Bahnhaltestelle gegenüber und spüre beim Betrachten des Kommen und Gehens dieses einzigartige Gefühl von Freiheit in mir aufkommen. Der an meinen Wanderschuhen hängende Staub zeugt nicht nur von zurückgelassenen Kilometern, gleichwohl ist er Teil meiner Erlebnisse, die sich zu unvergesslichen Wandererinnerungen fügen. Mit Bedacht schnüre ich meine Schuhe, so, als wollte ich vermeiden, dass etwas von dem Staub verloren geht. Frei von Fahrplänen, Vorgaben oder Terminen mache ich mich auf den Weg. Wie einfach es doch ist, loszugehen.

Am Ortsrand von Kohlhunden überquere ich eine Straße; an sich nichts besonderes. Hier aber schon, denn ohne deren Neubau wäre der alte römische Gutshof samt Familienbad wohl in den Tiefen der Erde versteckt geblieben. Im Gegensatz zu diesem Ort, muss ich am angrenzenden Kuhstallweiher nicht meine Fantasie bemühen, um ganz reale Badefreuden zu erleben. Der Kuhstallweiher hat im Übrigen einen ganz besonderen Bewohner: das Klobunzele. Beim Rufen des Namens soll sich die Gestalt schon gezeigt haben. Unbedingt sei aber darauf hingewiesen, den Namen genau drei Mal auszurufen. Es soll vorkommen, dass Fantasie und Realität verwischen…

Inmitten eines Waldes stoße ich auf eine Kapelle und einen Baumstamm, an der Kinderkleidung hängt. Ein sagenhafter Ort, denn hier sollen verschwundene Kinder wohlbehalten wieder aufgetaucht sein. Heute wird Kleidung erkrankter Kinder für deren Genesung hierher gebracht. Ich höre eine brüchige Stimme und entdecke auf einer Bank einen alten Mann. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges lebe er in einem Dorf ganz in der Nähe und komme immer wieder an diesen Ort, so erzählt er mir. Gedankenverloren lasse ich die Kapelle hinter mir und genieße die einzigartige Kurfürstenallee, deren mehr als 600 Linden mich nach Marktoberdorf leiten.

Fünfte Etappe: Marktoberdorf – Kaufbeuren (WTA)

Auf einer Brücke über die Wertach stehend, habe ich die Augen auf den beschaulichen Lauf des Flusses gerichtet. Kühle Luft streift mir über Wangen und Hände, die Morgenfrische ist angenehm. Es sind solche Momente, die mich mit ihrer Klarheit berühren, die mich so wohltuend ausfüllen. Es ist das Zelebrieren des Aufbrechens in einen neuen Tag, das Einlassen auf das, was er für mich bereithält. Ich schaue nochmal zurück auf Marktoberdorf, über dessen Häuser sich die Pfarrkirche St. Martin erhebt. Ein Bild, das mich ein bisschen an einen Schäfer und seine Herde erinnert.

Auf meiner Wanderung nach Ruderatshofen umgeben mich weite, sanft geschwungene grüne Wiesen, auf denen die hölzernen Heustadl zu schwimmen scheinen. Die Szenerie findet ihre ergreifende Vollendung durch die Berge, die ihre Gipfel in den Himmel schieben, als wollten sie sagen „seht her!“. Soweit führt mich der kräftigste Anstieg der Idyllegarten-Route nicht, dafür zur Bergmang Alpe, deren Terrasse ein wahrer Platz an der Sonne ist. Die Panoramaaussicht auf die Ammergauer Alpen, aus denen so markante Gipfel wie Zugspitze, Alpspitze und Säuling herausragen, ist schlichtweg betörend.

Nach schattigen Waldpassagen öffnet sich die Landschaft und auf einer grünen Anhöhe oberhalb Kaufbeurens finde ich mit der Fatima Kapelle (m)einen spirituellen Kraftort. Wie steht es doch auf einem Schild beim Aufstieg zur Bergmang Alpe: „… des isch’s Ländla, des mir megat, s‘ Ostallgäu, wo mir dahoi“ (Albert Guggemos). Dem kann ich nichts hinzufügen – auch wenn ich „nur“ Gast sein darf. Das aber immer wieder!

Schlossparkwandern

Den Allgäuer Schlosspark durchziehen drei neue Wanderrouten: die Idyllegarten-Route im Norden, die Königsalpen-Route im Süden und dazwischen, die Logenplatz-Route. Die Rundwege schließen sich zum Schlossparkwandern zusammen, einem neuen Wanderwegekonzept, das die Vielfältigkeit und Schönheit der Region rund um die Königsschlösser auf drei Höhenlagen erlebbar macht.

 

 

 

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