Jeder kennt sie, die Piktogramme für den Sport. Otl Aicher hat sie für die Olympischen Spiele in München 1972 entwickelt. Design aus dem Allgäu. Denn hier lebte er. Nicht nur das Erscheinungsbild von Olympia gestaltete er, sondern auch das von ZDF, Deutsche Lufthansa oder Braun. Erarbeitet wurden die Design-Elemente deutscher Unternehmen aber nicht etwa in einer Metropole, sondern im Weiler Rotis: Der gebürtige Ulmer Otl Aicher lebte und arbeitete von 1972 bis zu seinem Tod 1991 in einer von ihm umgebauten Mühle zwischen Legau und Leutkirch im Allgäu, unmittelbar verbunden mit seiner Bürogemeinschaft. Am 13. Mai 2022 wäre Otl Aicher 100 Jahre alt geworden. Ihn ehrt Isny mit einer Ausstellung. Für sein Design aus dem Allgäu.
Isny, eine Stadt in Schwarz-weiß
Mitte der 1970er Jahre beauftragte das nahegelegene Isny ihn, ein visuelles Erscheinungsbild zu entwickeln. Aicher begab sich dafür auf Streifzüge. Vorbei an Wiesen, Wäldern und Höfen. Vorbei an den mittelalterlichen Zeugen der ehemaligen Reichsstadt. Als Gestalter sah er die Landschaft in ihren Strukturen. Und das zeigt sich deutlich in seinen Bildzeichen. Ebenso, wie er die Pflanzen in ihren Formationen sah. Er begegnete den Menschen, spürte die klare Luft, nahm die Ruhe der Kühe wahr. 1982 übergab Aicher sein Auftragswerk der Stadt. Entstanden sind 136 Bildzeichen. Fast quadratisch und schwarz-weiß üben sie eine Faszination auf den Betrachter aus. Denn sie lassen viel Raum für Fantasie und laden zum Erleben vor Ort ein.
Design aus dem Allgäu und zugleich Allgäu im Design.
Damals war dies ein mutiger Schritt von Isny. Die Stadt wählte einen radikal modernen Ansatz, konträr zur damals gängigen Tourismuswerbung. Sie zeigte Löwenzahnwiesen, blauen Himmel, weiße Gipfel. Bergbahnen, Skipsten. Und Isny verfolgte schon damals eine reduzierte, aber markante Bildsprache. Übrigens hat Otl Aicher als Gestalter auch eine Schrift geschaffen. Sie hat er nach seinem idyllischem Zuhause genannt: Rotis. Auch die Allgäu GmbH nutzt sie. Der Illerwinkel übrigens schon seit dem Jahr 2000. Denn Rotis liegt genau auf der Grenze zwischen Legau im Illerwinkel und der Stadt Leutkirch.
Isny feiert den Gestalter Otl Aicher
Mit der Integration seines Werks in das Corporate Design hat es die Stadt wie keine andere geschafft, ihren Charakter in der Stadtidentität zu verankern und nach außen zu tragen: modern, kantig, authentisch. Zunächst fällt Gästen die klare Beschilderung und Wegweiser in der Stadt auf. Außerdem verfügt Isny über ganz eigene Produkte, wie man sie andernorts nicht aus Städten kennt: So gibt es Honig von den Bienenstöcken an der mittelalterlichen Stadtmauer. Die Kräuter für den Tee wachsen im Naturschutzgebiet das direkt an die Stadtmauer angrenzt. Es gibt Saft und Gin. Sie sind in der Gästeinformation erhältlich. Und auch sie ist ganz typisch im Sinne von Otl Aicher gestaltet. Und schon allein wegen des Designs einen Kauf wert! In designten Tütchen befinden sind Leinsamen und Blumensamen. Gratis erhältlich.
Zum 100. Geburtstag Otl Aichers hat die Stadt zudem eine Ausstellung und ein Rahmenprogramm auf die Beine gestellt.
Predigerbibliothek – jederzeit erlebbar mit der VR Brille
Ein weiterer Grund, sich mal dieses wunderschöne mittelalterliche Städtchen anzuschauen. Und was meiner Meinung nach unbedingt zu Isny gehört, ist die mittelalterliche Predigerbibliothek. Sie ist aus Denkmalschutzgründen wenig geöffnet, aber mittels einer VR-Brille jederzeit erlebbar. Lohnt sich! Die VR-Brille gibt´s in der Tourist Information. Warum einst Predigerbibliotheken geschaffen wurden, war die beginnende Reformation, die Aufklärung, der Wandel.
Rotis, an der Grenze zwischen dem Illerwinkel und Leutkirch im Allgäu
Im weitläufigen Anwesen bestehend aus Mühle, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden sowie Ateliers, leben und arbeiten heute noch die Söhne von Otl Aicher. so zum Beispiel Julian, der viel fürs Allgäu arbeitet. Verheiratet war er übrigens mit Inge, der Schwester von Sophie Scholl.
Mehr Infos zum Weiler Rotis