Bäume sind langsam, sie brauchen Jahrzehnte, um auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren. In einigen Bereichen des Allgäus besteht der Wald zu einem erheblichen Anteil aus Fichten. Diese Baumart aber leidet besonders unter den Folgen des Klimawandels. Wir folgen dem Förster Florian Schwarz, der uns in einem Teil des Staatsforsts Sonthofen den Waldumbau zeigt.
Warum sind die Bäumchen weiß? Wir stehen an einem leichten Hang, umgeben von 100 Jahre altem Baumbestand. Überwiegend Fichten ragen hier in den Allgäuer Himmel. Doch wer genau hinschaut, sieht zwischen Farnen und Baumstümpfen einige Schösslinge stehen. Sie sind jeweils 30 bis 80 Zentimeter hoch und haben eine Gemeinsamkeit – man hat sie mattweiß getüncht. Förster Florian Schwarz beugt sich zu einem der Bäumchen hinab. „Das sind junge Weißtannen“, sagt er und zeigt die Unterseite der Zweige. An ihrem typischen, silbrig weißen Glanz lassen sich Weißtannen von Fichten unterscheiden. „Das weiße Verbissschutzmittel haben wir aufgetragen, um die Triebe der jungen Tannen vor Verbiss zu schützen. Sonst wären sie ein Leckerbissen vor allem für Rehe. Der Verbiss wäre ein herber Rückschlag.“
Das Zauberwort der Forstwirtschaft: Resilienz
Rehe sind Feinschmecker. Würde man die zarten Triebe nicht mit der für das Wild übel schmeckenden Farbe einstreichen, hätten die jungen Weißtannen deutlich weniger Chancen, ausgewachsene Bäume zu werden. Wildverbiss ist eine der großen Bedrohungen für den Wald der Zukunft. Zum Waldumbau gehört deshalb nicht nur das Pflanzen neuer Bäume, sondern auch die Pflege, sowie die Jagd, um die Wildbestände zu regulieren. Und der Ort, an dem wir hier stehen, soll so ein Wald der Zukunft werden – widerstandsfähig, bereit für die Herausforderungen des Klimawandels. Das Zauberwort der Forstwirtschaft: Resilienz.
„Wenn wir uns hier umsehen, dann sehen wir einen einschichtigen Fichtenwald“, sagt Florian Schwarz. Der Förster aus dem Zukunftswald ist ein sympathischer Kerl in derben Hosen, auf seinem Fleece prangt ein Wappen, über seinem dunklen Vollbart wölbt sich eine hohe Stirn. Er trägt einen Tablet-Computer unter dem Arm, auf dem er Boden- und Klimadaten für die Beratung von Waldbesitzern abrufen kann. Und er hat einige Fachausdrücke parat für uns. Resilienz steht für Selbstheilungskräfte. „Einschichtig nennen wir einen Wald mit Bäumen in gleicher Höhe. Hier hat man vor rund 100 Jahren kahl geschlagen und mit Fichten wieder aufgepflanzt.“ Der resiliente Wald ist mehrschichtig und gemischt, besteht aus Fichten, Buchen und Weißtannen.
Licht und Wasser reichlich. Und doch leiden die Fichten
Das kleine Waldstück, in dem wir uns befinden, heißt Hornbuch. Es gehört zur Gemeinde Oberstorf erstreckt sich über einen recht steilen Hang auf einer Höhe von 1.000 Metern. Üppiges Sonnenlicht fließt durch die Bäume, ein dicker, saftig grüner Moosteppich bedeckt Boden, Baumstümpfe und Felsen. Keine Frage, auch Regen gibt es hier genug. Und obwohl die Bäume reichlich von dem finden, wonach sie sich sehnen – Sonnenlicht und Wasser –, leiden sie. Die Fichten kommen mit den steigenden Temperaturen und Folgen des Klimawandels nicht klar.
Doch was heißt das eigentlich, wenn man sagt: Die Fichte bekommt durch den Klimawandel zunehmend Probleme? „Die Temperaturen steigen, es gibt mehr Extremwetter“, beginnt Florian Schwarz. „Starkregenereignisse begünstigen in Hanglagen wie diesen die Bodenerrosion. Trockenperioden begünstigen den Befall mit Borkenkäfern. Stürme zerren an den Bäumen. Fichten sind besonders anfällig für Windwurf, wegen ihres flachen Wurzelwerks.
„Ich kann meinen Vorgängern, die hier vor rund 100 Jahren die Fichten gesetzt haben, keine Vorwürfe machen“, antwortet Florian Schwarz auf die Frage, ob man aus heutiger Sicht ganz anders pflanzen würde. „Damals brauchte man die Rohstoffe zum Wiederaufbau nach dem Krieg. Und man wollte die Flächen mit der schnell wachsenden Kiefer wieder aufforsten. Wir wissen doch heute auch nicht, ob all unsere Konzepte aufgehen. So hat man in den 1990er Jahren auf feuchten Böden auf die Esche gesetzt. Aktuell sind fast alle Eschen im Allgäu der Eschentriebsterben bedroht.“ Er blickt in das Waldstück, in dem in den vergangenen Jahren aufwändig am Wald der Zukunft gearbeitet wurde: Man hat viele Fichten geschlagen, damit mehr Licht in den Wald dringen kann. Man hat 800 Weißtannen gepflanzt, 200 Rotbuchen, 50 Mehlbeeren, dazu einzelne Wildbirnen, Sommerlinden. Und man hat die Weißtannen weiß angemalt. Jede einzelne.
„Spätere Generationen werden über meine Arbeit urteilen. Ich bin voller Zuversicht.“
„Die Weißtanne hat eine Pfahlwurzel, die tief in den Boden eindringt“, so beginnt Florian Schwarz mit der Erklärung, warum die Förster am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kempten auf diese Art setzen. „Die Tanne ist dadurch sehr standfest, stabilisiert so auch den Boden, und sie ist temperaturbeständiger. Allerdings wächst die Weißtanne anfangs langsamer als die Fichte und braucht mehr Pflege.“ Seit 2018 läuft der Waldumbau hier. Der Förster sieht erste Fortschritte und kann auch auf diese verweisen. Doch wirklich „sehen“ wird man den Wald der Zukunft frühestens in 50 Jahren. Oder noch später. „Ich versuche mir die Entwicklung in Zehn-Jahres-Schritten vorzustellen“, sagt der Förster mit dem Tablet. „Das ist das Besondere an meinem Beruf. Wenn meine Arbeit Ergebnisse zeigt, bin ich längst schon in Rente – oder gar unter der Erde.“ Er lacht. „Am Ende werden spätere Generationen über meine Arbeit urteilen. Ich bin voller Zuversicht.“
Service
• Hier findet man alle Informationen zu den Wäldern, über die Seite des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Kempten
• Die Website der Bergwaldoffensive erzählt das Projekt des Waldumbaus.
• Wer über Social Media verbunden bleiben möchte, kann auch dem Instagram-Kanal folgen
• Mehr zum Wald im Allgäu in unserem Schwerpunktthema Wald.