Allgäuer Alpenblog

Eisgekühlter Bischof im neuen Klostermuseum Ottobeuren

Der Titel passt nicht: Klostermuseum. Assoziiert man damit doch eine ehrfurchtgebietende, statische Kunstsammlung. Aber das Gegenteil ist der Fall: In der lichtdurchfluteten Klosteranlage der Benediktiner in Ottobeuren ist das hochmoderne Museum in den Räumen der früheren Reichsabtei untergebracht. Man darf anfassen, ausprobieren, hören und den Benediktinern Fragen stellen. Etwa, ob sie schon mal verliebt waren. Erstaunlich, wie die Antworten ausfallen! So viel sei verraten: Ja, einige waren verliebt und sind erst spät ins Klosterleben eingetreten.

Stuckdecken, Fresken, barocke Holzkassettentüren bilden den Rahmen der interaktiven Ausstellung

Über die luftige Treppenanlage geht´s hinauf in den 2. Stock – alternativ mit dem neuen Aufzug. Schon allein der erste stuckierte Raum überrascht: Ein großes, stilisiertes Notenblatt ist der Zeitstrahl des Klosters. Im Hintergrund ertönen Choräle, die langsam in moderne Formen übergehen, mit Schlagzeug und schnellen Rhythmen unterlegt. Ein überraschender Einstieg.

Seit 764 bis heute Heimat von Mönchen, seit 300 Jahren schon Ausstellungen

Ununterbrochen, trotz Säkularisation, ist die heute barock Anlage mit klösterlichem Leben erfüllt. Noch heute leben und arbeiten rund 20 Mönche unter Abt Johannes Schaber nach dem jahrhundertalten Grundkonzept „Damit Gott in Allem verherrlicht werde“, das auch der Ausstellung zugrunde liegt, wie ich vom Museumsleiter Frater Tobias erfahre. Auf meine Frage, wie die Idee entstand mittelalterlichen Choräle in die Moderne zu führen, meint er: „Wir leben zwar in musealen Gemäuern, in einem jahrhundertealten Orden, leben aber im Heute und im Jetzt. Das wollen wir auch zeigen“. Das kann ich bestätigen. Schon öfters habe ich den aus Bad Grönenbach stammenden Dr. Notker Wolf erlebt, der 16 Jahre lang „CEO“ der Benediktiner weltweit war und als rockende Abt auf seiner Querflöte „Locomotive Breath“ von Jethro Tull spielt. Zur schwarzen Kutte macht sich auch seine rote E-Gitarre gut. Jetzt aber zurück zu Frater Tobias. Er erzählt, dass die prächtigen Räume der Reichsabtei schon seit 1724 als Ausstellungsräume genutzt werden. 1881 wurde diese Räume offiziell zum Klostermuseum Ottobeuren und ist damit nach Kaufbeuren das zweitälteste im Allgäu. 1884 wurde Schloss Neuschwanstein für Besucher frei gegeben.

Medienstationen, Tastbilder, biografische Infos in Audio- und Videostationen über frühere Mitbrüder oder bedeutende Schüler wie Ludwig Auerbacher sowie Interviews mit heutigen Konventmitgliedern erwecken das Klostermuseum Ottobeuren zum Leben. Dabei sind sie in sechs Bereiche eingeteilt: „Die sechs Oberthemen „Gottsuche und Gebet. Gottsuche im Alltag. Geistliche und weltliche Herrschaft. Arbeitsbereiche im Kloster. Luxus zur Ehre Gottes: Baugeschichte der Klosteranlage. Gelehrsamkeit.“ sind heute in diesen unruhigen Zeiten als Gegengewicht wieder gefragt“, erklärt Frater Tobias. Das gut besuchte Gästehaus der Abtei befindet sich unterhalb der Museumsräume.

Kräuter, Kalmus, Kneipp: klösterliche Gesundheitsfürsorge:

Originale Objekte aus der alten Klosterapotheke stehen neben einer Riechstation mit typischen Kräutern der Klostermedizin. Auch sieht man in einem Video, wie Frater Tobias Kalmuswurzeln zu einem hochprozentigen Heilmittel destilliert. Ich habe schon probiert – schmeckt sehr nach Medizin! Meine Kollegin meint „Auf unserer Jordanien-Rundreise hat der morgendliche Schluck Kalmusschnaps uns vor Magen-Darmproblemen verschont“. Eine kleine Abteilung ist Sebastian Kneipp gewidmet: Er wurde 1821 in Ottobeuren geboren, feierte in Ottobeuren seine Primiz und schrieb auch Lehrbücher zur Kräuterkunde und Bienenzucht. Erzherzog Joseph von Österreich verehrte ihn und gab Kneipps Kräutersammlung als Atlas der Heilpflanzen heraus – illustriert von seiner Tochter, Margarethe von Turn und Taxis. Die Reliquie des Hl. Veit fand ich passend: In der Abteilung Gesundheitsfürsorge die Darstellung des Hl. Veits, der in Öl gekocht wurde. Die Berührung der Figur versprach Heilung gegen „Veitstanz„; in seiner Brust finden sich Reliquien.

Erster Heißluftballon und ältestes Schultheater im deutschsprachigen Raum

In Klöstern wurde gelehrt, geforscht, gespielt. Dass in Ottobeuren 1784 der erste Heißluft-Ballon Deutschlands gestartet ist, man eigenen Buchdruck und die erste Theaterschule betrieb, überrascht erneut. Die Fakten kommen stets ein wenig anders aufgemacht daher. Der Blick durchs Fernrohr geht beispielsweise in den Klostergarten – wo Pater Ulrich Schiegg die „Luftkugel“ starten lässt.  In jedem Raum des Klostermuseum Ottobeuren gibt es viel zu entdecken.

Gelehrsamkeit und wissenschaftliche Arbeit: die überwältigende Bibliothek

Die Bibliothek ist die geistliche Schatzkammer – und als solches wirkt auch die Barockbibliothek. Das Raumerlebnis ist ergreifend. Unzählige mittelalterliche Handschriften, 457 Inkunabeln und frühe Drucke, sowie etwa 15.000 in Schweinsleder gebundene Folianten sind in diesem prachtvollen Saal sorgsam verwahrt. Für Kinder bietet das Museum eine mittelalterliche Schreibwerkstatt an.

Eisgekühlter Bischof. Schon mal verliebt gewesen?

Zurück zur Eingangsfrage, die man übrigens nur virtuell an die jetzigen Konventmitglieder stellen darf: „Ja, ich war schon mal verliebt“, sagt Pater Christoph Maria. Und erzählt, wie er seine ehemalige Freundin auf seiner Primiz sah, als er die Hostie hochhielt.

Zweisprachig: die Benediktiner sind weltweit vernetzt

Im Museum wird zweisprachig erzählt. Den eisgekühlten Bischof bekommt man auch als Chilled Bishop: es handelt sich um ein Rezept von Pater Ägidius Kolb (1923-1992) und besteht unter anderem aus Zitronentee und Champagner. Da nimmt sich der „Tee gegen Magenbeschwerden“ doch sehr brav aus. Das Rezept stammt von Pater Nikolaus Ellenbog aus dem Jahr 1477. Die Rezepte darf man mitnehmen. Ich werde sie ausprobieren: Wermut, Minze und Wolgemut (Oregano) wächst im Garten; lediglich Fenchelsamen brauche ich noch für den Magentee. Den Kalmus-Elixier bekomme ich im Klosterladen. Sollte der Tee nicht wirken.

Bilder von Ralf Lienert:

https://www.allgaeuer-zeitung.de/bilder/exklusive-einblicke-das-neue-klostermuseum-ottobeuren_mediagalid-10331?bild=1

Das Museum öffnet am Palmsonntag, 2. April von 10 bis 17 Uhr

Ein paar Fakten und Termine:

Modernste Technik inszeniert 1000 Jahre alte Exponate.

Museumspädagogische Angebot für Schulklassen sind geplant.

Öffnungszeiten: In den Sommermonaten von 10 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr.

Die ersten Termine finden sich hier

https://abtei-ottobeuren.de/content/museum/

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