Ich stehe mit meinem Fahrrad an einem der schönsten Voralpenseen: dem Forggensee. Der fünftgrößte See Bayerns und zugleich größte Stausee Deutschlands glitzert in der Sonne. Auf der gegenüberliegenden Uferseite hebt sich das helle Gestein von Schloss Neuschwanstein deutlich vom dunkleren Wald ab. Dahinter erheben sich die Gipfel der Ammergauer Alpen. Es scheint, als wäre dieses beeindruckende Panorama aus kristallklarem Wasser, Märchenschloss und umliegenden Bergen schon immer so gewesen. Doch das ist nicht ganz richtig… Um das zu verstehen, müssen wir einmal in die Vergangenheit zurückblicken. Währenddessen starte ich schon mal mit der Radtour am Forggensee, denn heute steht die Forggensee-Runde auf dem Programm.
Vom Gletscher zum Stausee: Faszination Forggensee
Wir reisen zurück bis zum Ende der letzten Eiszeit. Vor etwa 10.000 Jahren war das Ostallgäu von einem Gletscher bedeckt, der sich allmählich zurückzog. An den Rändern der Gletscherzunge bildeten sich Moränenwälle, als das Eis Geröll von den Bergen mit sich brachte. Wer heute kräftiger in die Pedale treten muss, um über die sanften Hügel des Alpenvorlandes zu radeln, erfährt die Konsequenzen dieser Landschaftsbildung. In dieser Zeit entstand auch ein riesiger See: der 2 Quadratkilometer große Füssener See, der als Vorläufer des Forggensees und anderer kleiner Seen rund um Füssen gilt. Dieser See trocknete jedoch bald aufgrund von Tonschlammablagerungen aus dem eiszeitlichen Schmelzwasser aus. Nur kleinere Seen in tieferen Lagen des ehemaligen Seebetts blieben erhalten: zum Beispiel der Bannwaldsee, der Schwansee, der Hopfensee und der Weißensee.
Im Tal des Lechs entwickelte sich eine wunderschöne Wildflusslandschaft. Diese Landschaft blieb bis ins 20. Jahrhundert unverändert. Bereits zu Beginn des Jahrhunderts gab es Überlegungen, die Wasserkraft des Flusses zur Energiegewinnung zu nutzen. Mit dem Ersten Weltkrieg wurden diese Pläne jedoch vorerst aufgegeben. Nach dem Krieg war der Bedarf an Strom groß und es begann der Bau von kleineren Wasserkraftwerken. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das Projekt richtig Fahrt auf: 1950 begann der Bau des Stausees. Es kam zu Protesten, da tausend Anwohner in das Gebiet bei Schwangau und Füssen umgesiedelt werden mussten. Nach Gesprächen, Verhandlungen und einer Einigung war es 1954 schließlich so weit: Der Forggensee war vollendet.
30 Radkilometer am Forggensee
Nun kommen wir aber zurück zum heutigen Tag. Ich beginne die Forggensee-Runde am Bootshafen in Füssen, wo etwa 30 Radkilometer am Forggensee vor mir liegen. Seit einigen Tagen verkehren die Schiffe wieder zwischen den verschiedenen Haltestellen am Forggensee. Somit kannst du nicht nur eine tolle Rundfahrt erleben, sondern auch deine Radtour am Forggensee durch eine Teilstrecke mit dem Schiff abkürzen. Doch jetzt geht es erst einmal los. Ich fahre am Festspielhaus vorbei und folge dem westlichen Ufer des Forggensees Richtung Norden. Der See bleibt stets in meiner Nähe und gelegentlich lichtet sich der Wald, sodass das blaue Wasser sichtbar wird.
Bei der Badestelle am Café Maria mache ich eine kurze Pause. Es ist ein windiger Tag und kleine Wellen plätschern gegen die hellgrauen Kieselsteine am Ufer. Der Blick auf die Ammergauer Alpen ist von hier aus einfach atemberaubend. Am Steg treffe ich zwei andere Radfahrer, die aus Polen kommen und hier Urlaub machen. Stolz zeigt mir der Mann sein Handy: Vierzig Kilometer haben sie heute schon zurückgelegt. „Wir wollten eigentlich nur eine kleine Radtour machen, aber wir machen immer wieder Abstecher“, lacht er. Um den ganzen See zu fahren, hatten die beiden ursprünglich nicht geplant, aber sie zögern, als ich von meinen früheren Erfahrungen auf dem Radweg am Forggensee erzähle. „Das klingt so toll. Sollen wir es doch noch machen?“ fragt die Frau ihren Mann. Ich lasse die beiden diskutieren und fahre selbst weiter bergauf nach Osterreinen.
Forggensee: wo radeln und baden Hand in Hand gehen
Dank der ausgezeichneten Beschilderung und den gut gepflegten Radwegen ist das Radeln auf der Forggensee-Runde äußerst entspannt. Die Strecke führt vorbei an Rieden, durch Dietringen und weiter nach Roßhaupten. Ich lasse den Ort linkerhand liegen, kann jedoch einem Abstecher zum Badeplatz nicht widerstehen. Die Wiese an der ‚Lagune‘ von Roßhaupten gehört für mich zu den schönsten Plätzen im Ostallgäu. Schon allein wegen der Aussicht lohnt es sich, hier baden zu gehen. Obwohl es heute ein recht frischer Frühsommertag ist, sieht das Wasser so einladend aus, dass ich kurz hineinspringe. Nach dieser erfrischenden Badepause setze ich meine Fahrt fort, vorbei am kleinen Kunstpark zum Thema Römer, bis hin zur großen Staumauer am Wasserkraftwerk. Das im Forggensee gespeicherte Wasser wird zur Stromerzeugung in einer Kette von 23 Kraftwerken entlang des Lechs genutzt. Das erste Glied dieser Kraftwerkskette ist das Speicherkraftwerk Roßhaupten. Mit seinen zwei Kaplanturbinen erzeugt es jährlich etwa 50.000 Kilowattstunden regenerative Energie aus Wasserkraft und versorgt damit 48.000 Haushalte.
💡 Tipp: Wer eine Radtour am Forggensee macht, sollte Badesachen mitbringen! Am Forggensee gibt es zahlreiche schöne Badeplätze, zum Beispiel in Rieden, Dietringen, Roßhaupten und Brunnen.
Durch das sanft gewellte Alpenvorland am Forggensee
Ich radele bergauf zum Panoramastadel, wo Dutzende Fahrräder abgestellt sind. Obwohl es unter der Woche ist, haben viele Radfahrer das Kiosk mit dem herrlichen Panoramablick entdeckt und sitzen auf der Terrasse. Ich hebe mir die Einkehr für später auf und fahre weiter zum Illasbergsee. Ich weiß, was jetzt kommt, und atme noch einmal tief durch. Die Radtour am Forggensee ist meist flach, aber die Steigung nach Kniebis hat es in sich. Mit kräftigen Pedaltritten erreiche ich den Kiosk Seerose und biege dort rechts ab. Zwischen Wiesen und Wäldern geht es weiter auf größtenteils landwirtschaftlich genutzten Wegen in Richtung Schwangau. Ich liebe diesen Abschnitt der Forggensee-Runde. Der Radweg schlängelt sich durch die leicht hügelige Landschaft, und dabei habe ich stets die Berge im Blick. Was ich auch sehe: dunkle Wolken auf der anderen Seite des Forggensees. Ein tiefes Donnern ist zu hören. Obwohl ich ein kleines Wetterspektakel durchaus mag, möchte ich das nicht unbedingt erleben, wenn ich noch 10 Kilometer vor mir habe. Also trete ich etwas schneller in die Pedale, ohne dabei den Genuss aus den Augen zu verlieren. Eine kleine Pause am Hergeratriedssee muss einfach sein.
Die letzten Kilometer auf der Radtour am Forggensee
💡 Tipp: Die Tour wird dir zu lang? Oder du hast auch Lust, den Forggensee noch auf einer anderen Weise zu sehen? Du kannst samt Drahtesel an acht Haltestellen auf die Forggensee-Rundfahrtschiffe (Saison: Anfang Juni bis Mitte Oktober) umsteigen.
Radtour auf der Forggensee-Runde im Ostallgäu
🕑 Fahrzeit: ca. 2 Stunden
⟷ Distanz: 30 km
↗️ Höhenmeter: 170 m hoch und runter
🚲 Wegbeschaffenheit: Ca. 95 % Aspahlt und 5 % gekiesten Wirtschafts- und Forstwegen
📌 Startpunkt: Füssen
🚍 Öffis: Bahnhof Füssen, u.a. direkt von Augsburg erreichbar
Mehr Radtouren im Ostallgäu
Die abwechslungsreiche und leicht hügelige Landschaft des Ostallgäus ist ideal für Radtouren. Diese Routen kann ich dir ebenfalls empfehlen:
- Du willst gleich einen ganzen Radurlaub machen? Dann empfehle ich dir die Schlossparkradrunde. Auf gut 220 Kilometer lernst du die Vielseitigkeit des Ostallgäus kennen.
- Zwischen Kultur und Natur, zwischen Stadt und Berge: die Kloster-Runde ab Kaufbeuren ist zu jeder Jahreszeit eine tolle Runde.
- Der Schlosspark, wie das Ostallgäu auch genannt wird, macht seinen Namen alle Ehre auf der Burgen- und Schlösserrunde.
- Entecke das Norden vom Ostallgäu auf der Kirchweihtal-Runde ab Buchloe. Besonders schön als Frühlings-Radtour.