Marita Prestel, Modistenmeisterin zeigt ihr Handwerk im Deutschen Hutmuseum
Und so war ich aufs Hutmachen bzw Garnieren eines Huts neugierig. Modistenmeisterin Marita Prestel und ehemalige Hutkönigin zeigt interessierten Kleingruppen gerne ihr Handwerk. Das Deutsche Hutmuseum Lindenberg schafft hier bestens den Einstieg ins Thema: Nicht nur dass man viel über die überaus interessante Geschichte der Hutindustrie erfährt, welche eng mit dem Pferdehandel verknüpft ist. Das Hutmuseum Lindenberg lädt zum Mitmachen ein: Vom Grundmaterial über Form und Verarbeitung bis hin zum fertigen Hut. Egal ob alt oder jung, Mann oder Frau, verschiedene Hüte aufprobieren macht einfach Spaß. Man wird zu einem anderen Menschen: Man fühlt sich gut behütet, kann sich behaupten oder herausputzen. Der Hutputz macht den Unterschied. Angelika Schreiber, die Leiterin des Museums, besitzt übrigens 25 Hüte.
Angelika Schreiber, Leiterin Hutmuseum Lindenberg (Bild), erklärt die Hutpresse
Vom Stumpen zum Hut, ständig unter Dampf
Marita Prestel betreibt ihr Atelier in Kempten. Sie ist ihrer Heimat treu geblieben, obwohl sie die einmalige Chance gehabt hätte, beim Königlichen Hutmacher der britischen Queen, Frederic Fox, zu arbeiten. Statt London also Kempten. Aber die Liebe war stärker und wir können froh sein, sie hier zu haben. Marita Prestel erzählt, dass sich im Laufe der Jahrhundert die Hutform, der Stumpen, nicht geändert hat. Für Frauen gibt es sogar nur eine einzige Grundform, für Männer immerhin mehrere Größen. Wie letztlich der Hut geformt ist, ist letztlich ein Ergebnis der Bearbeitung. Selbst das Rohmaterial hat sich nicht große geändert, es besteht aus Tierhaaren bzw Wolle. Nur heute wird wesentlich weniger Kaninchenhaar verwendet als früher. Heute ist es vor allem feines Wollfilz.
Krempen, Kniffe, Kunst: Der Ursprung aller Kunst ist das Handwerk – Johann Wolfgang von Goethe
Marita Prestel bearbeitet einen Stumpen, rundet die Krempe, zieht sie gleich lang. Immer wieder überprüft sie ihr Werk bis endlich nach vielen Arbeitsschritten der Hut fertig ist. Sie erzählt uns dass heute noch ein Hut in Handarbeit hergestellt wird. Industrieware erkennt man an den Nähten, die eine Kappe oder Mütze bilden. Eine Hutschnur umgibt jeden Hut und sorgt dafür, dass der Hut die vorgesehene Größe und Form behält. Nachdem nun der Hut fertig ist, dürfen wir an den Hut: Wir garnieren und putzen mit verschiedensten Kordeln, Bändeln, Hutschnüren und Putz. Nur wenige von uns trauen sich Blumen oder Federn an den Hut zu stecken. Und ich bin die Einzige, die sich für einen pinken Hut entscheidet. Die meisten bleiben bei grau oder dunkelgrün. Die Hüte kommen übrigens von der Firma Seeberger aus dem benachbarten Weiler-Simmerberg im Allgäu. Im Hutmuseum Lindenberg kann man übrigens Hüte von Seeberger und Mayser kaufen.
Modisch, gut behütet, gut behauptet – der Hut kann alles
Wir merken schon beim Ausprobieren der verschiedenen Hüte im Museum oder jetzt, beim Garnieren des eigenen Hutes: Unser Hut macht uns zu einem anderen Träger, zu einer anderen Trägerin! Es macht einfach Spaß von anderen Hüte aufgesetzt zu bekommen und deren Kommentare zu hören und zu sehen, wie mancher wirklich seine Persönlichkeit ins Szene gesetzt bekommt, von der er vorher gar nichts wusste! Genau dieses, die Persönlichkeit suchen und hervorheben, das ist es, was Marita Prestel in ihrem Atelier in Kempten macht. „Für mich ist der Hut das schönste Accessoire und bringt den Träger oder die Trägerin individuell zur Geltung“, sagt sie, während sie uns Tipps für die Hutgarnierung gibt. Und so ist es auch!
Eva (oben, fotografiert von Iris Humpenöder), Simone und Iris (unten): wirklich verschieden
Übernachtungs- und Restaurantstipps
Wer einen Hutmacherkurs mit einem Wochenende in Lindenberg verbinden will, dem sei das Hotel am Waldsee empfohlen. Es atmet die Atmosphäre eines Grandhotels, wenn auch im bescheidenem Kleinformat. Immerhin übernachteten hier die Damen und Herren aus dem Hause Habsburg. Heute betreibt Familie Hartmann das Hotel mit viel Liebe zum Detail und ausgezeichneter Küche. Für mich hat das Hotel-Restaurant Bacalau noch eine ganz andre Bedeutung: Nirgendwo kann man so gut Fisch essen wie bei den Hartmanns – kein Wunder, stammt doch Bodo Hartmann von Sylt! Tipp für Kempten, wenn man Marita Prestel besucht: Der Bayerische Hof in Kempten gehört zu den Historic Hotels International, seine Geschichte reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Wie auch die des „Goldene Fässle“, das wohl älteste Weinlokal in Kempten. Dort kocht übrigens der Sterne-Koch und Allgäu-Botschafter Christian Henze.
Normalerweise trage ich Rad- oder Skihelm und Mützen beim Sport wenn´s draußen kalt ist. Aber so ist´s auch mal anders.
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